Auf der Suche nach der Vergangenheit

Interview Manuel Sosnowski beantwortet fünf Fragen zu seiner (ersten) Reise in sein Geburtsland Bolivien und erklärt, was Heimat für ihn bedeutet und wieso er sich dazu entschieden hat sich bei dieser großen Reise von einem Filmteam begleiten zu lassen
Manuel Sosnowski in „Mein fremdes Land“.
Manuel Sosnowski in „Mein fremdes Land“.

Was bedeutet ‚Heimat‘ für Dich?

Lange habe ich mich gefragt: Was ist Heimat und wo ist sie eigentlich? Die Reise hat mir gezeigt, dass Heimat da ist, wo man sich wohl fühlt. Heimat ist, wo meine Familie lebt und wo meine Freunde sind. Es sind die Orte, an denen man sich geborgen fühlt. Und durch die Reise habe ich eine neue Heimat gewonnen. Obwohl sie von Anfang an da war, habe ich sie jetzt erst kennenlernen dürfen.

Warum hast Du Dich für diese Reise entschieden und dich von einem Filmteam begleiten lassen?

Der Wunsch zu wissen, wer man ist und wo man herkommt, der war schon immer da. Und mit den Jahren ermutigten mich auf meinem Weg immer mehr Menschen, diese Reise nach meiner Vergangenheit in Angriff zu nehmen. Aus der Neugier und dem Wunsch nach Gewissheit wurde vor vier Jahren eine handfeste Idee, ein Dokumentarfilmkonzept. Ich war glücklich, dass ich dadurch diese schwierige Reise mit Freunden in Angriff nehmen konnte. Freunde, die mir jeden Tag Kraft gegeben haben, weiter zu gehen. Als Filmemacher und Editor denkt und nimmt man die Welt filmisch auf. Für mich war es wichtig, etwas zurück zu bringen. Vielleicht auch eine Inspiration für andere zu sein, die eine ähnliche Geschichte haben, um ihnen die Kraft zu geben, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Ich glaube, es ist wichtig zu wissen, wo die eigenen Wurzeln liegen.

Was war für Dich die größte Herausforderung beim Dreh?

Die ersten zwei Drehtage waren für mich wohl die größte Herausforderung. Im Normalfall sitze ich im Schnittraum und schneide die Filme. Es war weniger die Angst, wie ich vor der Kamera agiere, als vielmehr die Ungewissheit, wie und wo genau diese Szenen dann später im Film landen werden. Ich habe Mein fremdes Land nicht geschnitten, habe aber trotzdem immer darüber nachgedacht, wie der Film später aussehen könnte.

Wenn Du auf die Suche nach deiner Vergangenheit zurückblickst, was hat Dich am meisten überrascht? Würdest Du die Reise wieder antreten bzw. was würdest Du jetzt anders machen?

Die Reise würde ich auf jeden Fall wieder machen. Sie war eine Erfahrung, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde. Meine neu gewonnene zweite Heimat Bolivien möchte ich in Zukunft unbedingt noch weiter kennenlernen.

Was geht Dir durch den Kopf, wenn Du die Familien und Kinder aus der Ukraine siehst, die jetzt ihre Heimat verlassen müssen?

Es macht mich unglaublich traurig was da passiert. Familien, die auf einmal entwurzelt werden. Ich kann mir nichts Schrecklicheres vorstellen. Man kann für die Menschen nur beten und hoffen, dass der Wahnsinn bald vorbei ist. Was ich während der Reise gelernt habe ist, dass Heimat kein geographischer Punkt auf der Karte ist. Heimat ist ein Gefühl, das man im Herzen trägt. Das kann niemand einem nehmen.

22.06.2022, 21:17

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