Es gibt in einem Brief Kleists seine Schilderung einer verzweifelten und schlaflosen Nacht. Er ist hinausgelaufen, aus der Stadt, in der Nacht. Als er das Stadttor passiert und unter dem Torbogen steht, blickt er auf. Mustert den Torbogen. Und erkennt, dass, weil alle Steine fallen wollen und sich im Fallen verkanten, sie den Bogen bilden, unter dem man sicher ist. Vielleicht sind viele Geschichten, die des Kinos, der Literatur, wie solche Bögen, Hohlräume im Unglück. Diese Geschichte hier ist solch ein Torbogen. Eine junge Frau, die nicht mehr weiter weiß. Eine Familie, die am Ende ist und die man mit dem wunderschönen Romananfang von Tolstois „Anna Karenina“ beschreiben könnte: Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich. Beide, die Familie und die junge Frau, sind am Ende, sind am Fallen. Aber sie stützen sich, bilden einen Bogen. Unter dem sie beginnen, wieder zu leben.
– Christian Petzold, Regisseur von Miroirs No. 3