„Das sind unsere Großmütter und Urgroßmütter“

Kommentar Delia ist Ehefrau, Hausfrau und Mutter. Das sind die Rollen, die sie ausmachen, und sie genügen ihr – bis das Schicksal ihr ein anderes Morgen präsentiert. Zum ersten Mal wagt sie, von einem besseren Leben zu träumen. Nicht nur für sich…
„Das sind unsere Großmütter und Urgroßmütter“

© TOBIS Film GmbH

Autorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin Paola Cortellesi ist eine der dynamischsten und vielseitigsten Künstlerinnen Italiens. Wie sie ihr Regiedebüt stemmte und alle daran Beteiligten zusammenbrachte, erzählt sie in diesem Vorwort:

Einem herrschsüchtigen Ehemann und einem schurkischen Schwiegervater ausgeliefert, ist sie eine Gefangene des Herdes: Delias einziger Wunsch ist die bevorstehende Heirat ihrer ältesten Tochter, für die sie sich ein besseres Leben erhofft.

Es klingt wie eine der – immer etwas unheimlichen – Handlungen vieler Kindermärchen, aber es ist eine ganz gewöhnliche Geschichte einer italienischen Familie in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre.

Ein Schlag ins Gesicht und los geht's. Ich hatte dieses Bild vor Augen und den Wunsch, durch Delia die Frauen zu inszenieren, die ich mir aus den Erzählungen meiner Großmütter vorstellte; Geschichten über ein hartes Leben, dramatische Geschichten, die dennoch mit einer Bereitschaft zum Lächeln erzählt werden. Sie handelten von gewöhnlichen Frauen, die ein Leben der Täuschung akzeptierten, ohne es zu hinterfragen. Es war einfach so. Und ist es manchmal immer noch.

Meine unzertrennlichen Reisegefährten Furio und Giulia waren die ersten, die mich verstanden, ermutigten und anregten. Mein erster Film ist dank ihres Vertrauens möglich geworden. Und dank dem von Mario und Lorenzo, die mir vor einiger Zeit unklugerweise sagten: „Wenn du dich bereit fühlst für dein Regiedebüt, werden wir es gemeinsam tun“. Und sie zuckten nicht mit der Wimper, als ich ihnen Jahre später vorschlug, einen Schwarzweißfilm zu produzieren – „der aber stellenweise lustig ist...“, wie ich ihnen sagte.

Ich hatte das Vertrauen aller künstlerischen und technischen Abteilungen, eines hervorragenden Teams, das jeden Tag mit Sorgfalt und Leidenschaft arbeitete, eine Besetzung, die bis in die kleinste Rolle hinein tragfähig war und mit erstaunlicher Beweglichkeit von einem Register zum anderen wechseln konnte.

Ich hatte das Vertrauen von Valerio, der beschloss, sein unendliches Talent in den Dienst dieser Geschichte zu stellen, und der sich nach meiner ersten Version der Geschichte in einer Bar bereit erklärte, Delias Gatten Ivano zu spielen; von Emanuela, die mir mit ihrer außergewöhnlichen Fähigkeit, zwischen Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit zu wechseln, und mit ihrer akribischen Hingabe dabei half, jede einzelne Nuance zu vertiefen; von Giorgio Colangeli, der auf dem Set mit der Sanftheit und der berstenden Kraft eines großen Meisters auftrat; von Vinicio, der auf die Frage: „Hast du es gelesen?“ antwortete: „Nein, ich habe es wirklich gesehen“.

Die Anmut und das große interpretatorische Geschick von Romana Maggiora Vergano ermöglichten es, ein so hartes Mädchen liebenswert zu machen und die Unruhe und Zerbrechlichkeit der Figur der Marcella zu zeichnen, Motor und Ziel von Delias Reise.

Delia ist wertlos, so hat man es sie gelehrt. Aber ein Brief mit ihrem Namen und die Liebe zu ihrer Tochter geben ihr den Mut, die Dinge zu ändern. Ich habe versucht, mir vorzustellen, was diese Frauen damals fühlten, als sie einen Brief erhielten, in dem jemand – größer und wichtiger als ihre häuslichen Folterknechte – ihnen ihre Rechte bescheinigte.

Mit Morgen ist auch noch ein Tag wollte ich von den außergewöhnlichen Leistungen der vielen gewöhnlichen Frauen erzählen, die unser Land aufgebaut haben. Delia – das sind unsere Großmütter und Urgroßmütter. Wer weiß, ob sie jemals einen Blick auf ein Morgen gerichtet haben. Aber für Delia gibt es ein Morgen. Und es ist der letzte Tag, um ein besseres Leben zu beginnen.

Paola Cortellesi

21.03.2024, 09:34

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