In Kooperation mit Grandfilm

Zwischen Halde und blauer Blume

Aus einem zufälligen Sommertag in Sangerhausen erwächst ein Film über Sehnsucht als politische Frage: Julian Radlmaier folgt jenen, die trotz prekärer Lebenslagen nach Sinn, Gemeinschaft und einem anderen Leben suchen

Foto: Grandfilm/Blue Monticola Film®

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Sehnsucht in Sangerhausen

Sehnsucht in Sangerhausen

Julian Radlmaier

Drama, Komödie

Deutschland 2025

90 Minuten

Ab 13. November 2025 im Kino!

In Kooperation mit Grandfilm

Sehnsucht in Sangerhausen

An einem Sommertag führte mich der Zufall nach Sangerhausen. Diese kleine ostdeutsche Stadt, halb aus rechteckigen Häuserblocks, halb aus mittelalterlichen Gassenlabyrinthen bestehend, liegt zwischen einem riesigen Rosengarten und einer bergähnlichen Halde, die wie eine ägyptische Pyramide über der Landschaft thront. Man könnte fast meinen, dieses Relikt der sozialistischen Bergbauindustrie sei der romantischen Fantasie des Dichters Novalis entsprungen, der in einem nahgelegenen Dorf geboren wurde und selbst im Bergbau arbeitete. Er ist vor allem für das Bild der „blauen Blume“ bekannt, mit dem er die vage Sehnsucht nach dem schwer fassbaren Etwas ausdrückte, das wir manchmal in Träumereien oder vorbeiziehenden Wolken erahnen, aber nie ganz greifen können – den Ruf eines anderen Lebens.

Die Protagonist*innen meines Films sind jedoch keine romantischen Dichter, sondern prekär Beschäftigte und Migrant*innen. Für sie wird die Frage der Sehnsucht zu einer zutiefst politischen, da denen, die mit dem Überleben beschäftigt sind, sogar das Recht verwehrt wird, nach dem Sinn des Lebens zu fragen: Zuerst muss die Miete bezahlt, die Aufenthaltsgenehmigung verlängert werden. Und doch suchen sie nach der blauen Blume – auch wenn sie manchmal an zweifelhaften Orten danach suchen... Vielleicht ist es schon etwas, wenn ein paar einsame Seelen eine unwahrscheinliche Gemeinschaft bilden, und sei es nur für einen Nachmittag? Vor dem Hintergrund eines gesellschaftlichen Klimas, das bedrohlich nach rechts kippt, bringt Sehnsucht in Sangerhausen Menschen zusammen, die in der öffentlichen Debatte oft gegeneinander ausgespielt werden. Es ist ein Film über die Alchemie der Begegnung.

Genauer gesagt kontrastiert der Film zwei Begegnungen: Die erste (die romantische Liebesbeziehung zwischen der proletarischen Kellnerin Ursula und der bürgerlichen Geigerin Zulima) scheitert dramatisch, während die zweite (die seltsame Freundschaft zwischen Ursula, der iranischen Möchtegern-Influencerin Neda und dem koreanischen Reiseleiter Sung-Nam) komisch gelingt. Dies spiegelt meine Überzeugung wider, dass die tiefere Kluft zwischen den Menschen nicht horizontal zwischen Nationen und Kulturen verläuft, sondern vertikal zwischen sozialen Klassen. Am Ende verbinden sich die Figuren sogar mit den Geistern der Vergangenheit, als sie herausfinden, dass ihre gemeinsamen Träume eigentlich sehr alt sind... Sowohl inhaltlich als auch formal vertraue ich auf den freudigen Widerstand des Kinos.

Julian Radlmaier, Regisseur von Sehnsucht in Sangerhausen

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