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Totale Kontrolle, stille Überwachung - im Gespräch mit dem Freitag erklärt Stephen Baker, Autor von "Die Numerati", warum er trotzdem keine Angst vor Datenhaien hat

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Der Freitag: Herr Baker, wer sind diese ominösen Numerati, nach denen sie ihr Buch benannt haben?

Stephen Baker: Das sind Leute, die aus unseren elektronischen Datenspuren Muster herauslesen, um alles mögliche über uns zu erfahren: Konsumgewohnheiten, Wahlverhalten, Arbeitsweisen, unsere Vorlieben bei der Partnerwahl. Es sind Mathematiker, Statistiker, Datensammler. Diese Berufe gibt es schon lange. Aber mit der Zunahme digitaler Daten haben sie ein neues Experimentierfeld für sich gefunden.

Klingt beunruhigend.

Wir denken, dass es nicht gut ist, wenn andere viel über uns wissen. Aber das ist vor allem eine Furcht von Großstädtern. Vor einigen Generationen lebten die meisten Menschen noch in Dörfern - und die Nachbarn wussten alles über sie. Bedenken Sie: Man gewinnt auch etwas, wenn man persönliche Informationen teilt. So funktionieren Beziehungen. Auch Geschäftsbeziehungen. Ein Butler zum Beispiel weiß fast alles über seinen Dienstherren. Das ermöglicht ihm, eine perfekt zugeschnittene Dienstleistung anzubieten. Und nun haben auch Unternehmen diese Chance: In Zukunft werden sie uns nicht mehr wie Herdentiere behandeln müssen, sondern als Individuen.

Im Dorf kenne ich die Menschen, die über mich Bescheid wissen. Auch den Butler kenne ich persönlich. Die Numerati hingegen sind anonym. Ich habe keine Kontrolle über sie.

Es wird die große Herausforderung für Unternehmen werden, uns zu überzeugen, das unsere Daten bei ihnen sicher sind. Wer das schafft, wird einen Wettbewerbsvorteil haben.

Das mag für Verbraucher stimmen. In ihrem Buch beschreiben sie jedoch auch, dass Unternehmen die Produktivität von Angestellten nach mathematischen Modellen optimieren und kontrollieren werden. Was werden die Menschen tun, die nicht in diese Modelle passen?

Der Wettbewerb wird sich verschärfen. Aber die Maschinen werden uns keine Entscheidungen diktieren, sie machen Vorschläge. Und die sind auch nötig: In einem Konzern können wir nicht jeden kennen. Wir sollten nicht vergessen, dass so auch Leute nach oben kommen können, deren Arbeit im Moment gering geschätzt wird - weil sie keine intelligenten Witze erzählen können, weil sie die falsche Hautfarbe oder das falsche Geschlecht haben.

Wie sollen diejenigen reagieren, die die zunehmende Macht der Numerati skeptischer sehen?

Ich würde bewusst entscheiden, wem ich Daten von mir gebe - und die langweiligen Datenschutzerklärungen auf den Webseiten lesen.

Für Ihre Recherchen haben Sie und ihre Frau sich bei einer Single-Webseite angemeldet, um zu sehen, ob der Computer sie einander zuordnet. Das hat er zunächst nicht getan.

In Sachen Liebe tun sich die Numerati am Schwersten - noch. Es gibt zu viele Variablen. Der Single-Dienst, den wir getestet haben, geht davon aus, dass sich Gegensätze anziehen. Meine Frau und ich sind einander ziemlich ähnlich. Insofern war ich nicht wirklich erstaunt

Sigmund Freud hat ja behauptet, dass das Unbewusste der Antrieb für unser Handeln ist. Aber wenn die Numerati aus meinen Verhaltensmustern errechnen können, was ich mir in meinem Innersten wünsche, dann heißt das doch: nicht einmal meine Begierden sind spezifisch für mich, sondern nur typisch für eine soziale Gruppe. Das ist eine Kränkung. Es stellt meine Individualität in Frage.

Das stimmt womöglich. Aber wir können durch die Numerati auch eine Menge über uns lernen. Wie wir handeln und warum, zum Beispiel. Vergessen Sie nicht: Wir stehen erst am Anfang. In zehn Jahren werden die heutigen Technologien primitiv aussehen. Es ist wahrscheinlich keine Übertreibung, wenn man sagt, dass wir vor einem grundlegenden Umbruch in der Geschichte stehen.

Stephen Baker arbeitet für die Zeitschrift Business Week. Eine Titelgeschichte über Data-Mining gab den Anstoß für die ein Jahr dauernden Recherchen zu seinem Buch "Die Numerati. Datenhaie und ihre geheimen Machenschaften" (Hanser Verlag 2009). Darin und in seinem Blog beschreibt Baker unter anderem den Einfluss von Datensammlern auf den Alltag von Arbeitenden, Käufern, Wählern, Bloggern, Patienten und Liebespaaren.

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