Unter Hans-Peter Friedrich ist es auf jeden Fall gemütlicher geworden im Bundesinnenministerium. „Bärchen“ nennen sie dort ihren Minister, weil er auch nach 17 Monaten Amtszeit noch tapsig und unbeholfen wirkt, aber immer ein freundliches Lächeln übrig hat und im Zweifel lieber kuschelt als Kante zeigt. Verglichen mit Friedrichs Amtsvorgängern, dem cholerischen Otto Schily und dem zynischen Wolfgang Schäuble, ist der CSU-Politiker ein geradezu idealer Chef für die Ministerialen, weil er auf ihre Ratschläge und Einflüsterungen hört.
Für die Öffentlichkeit hingegen ist der 55-Jährige nach vielen Negativ-Schlagzeilen zum – um im Bild zu bleiben – Problembären mutiert. So kam Ende Juni heraus, dass sei
, dass sein Bundesamt für Verfassungsschutz noch nach Auffliegen der mutmaßlichen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) im November Aktenordner mit brisanten Informationen über V-Leute in der rechtsextremen Szene schreddern ließ. Anfang Juli wurde bekannt, dass in Friedrichs Bundeskriminalamt drei Monate lang unbemerkt durch einen Softwarefehler Mitschnitte abgehörter Telefongespräche von Terrorverdächtigen und Schwerkriminellen gelöscht wurden. Mitte Juli erfuhr die Öffentlichkeit, dass das Bundesinnenministerium selbst noch im Mai Abhörprotokolle von Rechtsextremisten aus dem Umfeld des NSU „aus Datenschutzgründen“ vernichten ließ. Zu Wochenbeginn nun löste Friedrich ohne erkennbaren Grund die gesamte Spitze der Bundespolizei ab. Von einem „Enthauptungsschlag“ sprach anschließend der Grünen-Innenexperte Wolfgang Wieland. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, warf Friedrich vor, die „Treuepflicht des Dienstherren gegenüber seinen Beschäftigten“ unheilbar zu verletzen. Die Linke mutmaßte, der Minister wolle durch Aktionismus nur von eigenem Versagen ablenken.Auf der Nase tanzenTatsächlich zeigen die vergangenen fünf Wochen: Der freundliche Franke, der nach dem Guttenberg-Rücktritt 2011 nur aus Parteiräson vom Vorsitz der CSU-Landesgruppe an die Spitze des Innenministerums wechselte, ist der falsche Mann für diesen Posten. Nur einem schwachen Minister tanzen die untergebenen Behörden auf der Nase herum, nur ein schwacher Minister feuert Behördenchefs nach Fehlern und lässt deren Aufsichtsreferate im eigenen Haus ungeschoren.Statt sie zu maßregeln, schiebt Friedrich nun Leute aus seinem Ministerium auf die von ihm freigemachten Spitzenposten in den Sicherheitsbehörden – getreu dem Motto Loyalität statt Kompetenz. Hans-Georg Maaßen etwa, der umstrittene Nachfolger des zurückgetretenen Verfassungsschutzchefs Heinz Fromm, war bisher Unterabteilungsleiter für Terrorismusbekämpfung und Friedrichs Aufpasser im NSU-Untersuchungsausschuss. Helmut Teichmann, bis vor Kurzem Chef des Leitungsstabes im Innenministerium, übernimmt demnächst den Posten des aus Altersgründen ausscheidenden Jörg Ziercke als Präsident des Bundeskriminalamts. „Bei einer Ausschreibung“, spottete Grünen-Politiker Wieland bei Spiegel online, „hätte wohl keiner von denen eine Chance auf den Job gehabt.“Im Amt überfordertAuch der Fall Bundespolizei belegt Friedrichs fragwürdige Personalpolitik. An sich ist die Ablösung des bisherigen Bundespolizeichefs Matthias Seeger – abgesehen von der Art und Weise ihrer Umsetzung – kaum zu kritisieren. Seit Langem war es ein offenes Geheimnis in Sicherheitskreisen, dass Seeger den Anforderungen seines Amtes kaum gewachsen war. Obwohl ihn Insider als vorbildlich im menschlichen Umgang mit Untergebenen wie in der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften beschreiben, bescheinigen ihm die gleichen Leute aber auch, fachlich mit der Führung einer 40.000 Mitarbeiter starken Sicherheitsbehörde überfordert gewesen zu sein. Insoweit sei seine Ablösung überfällig gewesen. Dass Friedrich so lange damit wartete, mag auch an seinen Beratern aus der für die Bundespolizei zuständigen Ministeriums-Abteilung gelegen haben. Dort wusste man, wie es heißt, sich Seegers Führungsschwäche durchaus zunutze zu machen, um in die Behörde hineinzuregieren.Vor diesem Hintergrund ist es seltsam, dass Friedrich mit Dieter Romann einen neuen Behördenchef installiert, der aus eben jener Bundespolizei-Abteilung des Ministeriums kommt, die jahrelang die Probleme mit Seeger goutiert hatte. Romann leitete dort von 2005 bis 2009 das Referat für Polizeiliche Grundsatz- und Einsatzangelegenheiten der Bundespolizei. Der 50-Jährige hat seine gesamte Laufbahn als Ministerialbeamter hinter sich gebracht, also nie im Leben eine Uniform getragen. Ansehen und Autorität in einer Polizeibehörde fördert das nicht gerade. Seegers Stellvertreter hat der Minister gleich mit geschasst – obwohl es dafür keine fachlichen Gründe gab. An ihre Stelle sollen – Überraschung – zwei weitere Spitzenbeamte aus dem Innenministerium treten.Kurzer Prozess?Es spricht einiges dafür, dass Friedrich mit diesem fast schon systematischen Auswechseln von Praktikern durch Ministerialbürokraten den Boden bereiten will für den spätestens seit der NSU-Affäre immer lauter geforderten Umbau der Sicherheitsarchitektur. Mit loyalen Gefolgsleuten aus dem eigenen Haus ließe sich eine Umstrukturierung von Behörden leichter und geräuschloser umsetzen. Ob Friedrich das allerdings noch als Innenminister erleben wird, hängt auch davon ab, ob er die Serie von Negativ-Schlagzeilen stoppen kann. Schließlich weiß er aus Bayern: Mit Problembären wird kurzer Prozess gemacht.