An die "Bundeskoordination Internationalismus" (BuKo) wird gelegentlich die Kritik gerichtet, sie verfüge über keine Strategie, politisch etwas bewegen zu können. Ungeachtet dessen konnte das Netzwerk von rund 160 linken Organisationen mit internationalistischem Selbstverständnis, das sich am vergangenen Osterwochenende in Leipzig zum jährlichen Kongress traf, auf 30 Jahre Bewegungsgeschichte zurückblicken. Seit 1977 hat die BuKo die Diskussion mitgeprägt, die in der alten Bundesrepublik, später im vereinigten Deutschland um internationalistische Theorie und kritische Praxis geführt wurde. Die Bundeskoordination war lange Zeit das Bündnis der entwicklungspolitischen Aktionsgruppen, von der Nicaragua- und El Salvador-Solidarität bis hin
hin zu unabhängigen Medien und Kampagnen, die sich kritisch mit agrar- oder gesundheitspolitischen Fragen befassten. In den letzten Jahren haben sich die aktiven Spektren und Themen verschoben: antifaschistische und antirassistische Gruppen, feministische Netzwerke, gewerkschaftliche Internationalisten, Gruppen migrantischer Selbstorganisation oder auch Initiativen, die sich auf die so genannte globalisierungskritische Bewegung beziehen, sind hinzugekommen.Unter dem Namen "Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen" (BuKo) wurde die Organisation 1977, im so genannten "Deutschen Herbst", gegründet. 180 TeilnehmerInnen aus 110 Gruppen beschlossen auf dem ersten Kongress in München, künftig stärker zusammenzuarbeiten und in der Öffentlichkeit gemeinsam aufzutreten. Ein Treffen pro Jahr sollte ständige Einrichtung sein. Die inhaltlichen Kenntnisse und der politische Standort der Gruppen reichten von naiv bis fundiert, wie es 1978 ein Redakteur der Evangelischen Kommentare beschrieb. Entgegen der sich formierenden Ökologie-, Anti-AKW- und Friedensbewegung waren die rund eintausend Zusammenschlüsse, die sich als Lobby der "Dritten Welt", von nationalen und regionalen Befreiungsbewegungen sahen, öffentlich kaum bekannt; ihr politischer Einfluss war entsprechend gering. Durch Proteste und Skandalisierung wollten sie die Auswirkungen der Politik der Industriestaaten auf die "Entwicklungsländer" in die Öffentlichkeit tragen. Unterstützung kam zunächst aus dem Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit: "Das BMZ hatte das Anwachsen der Dritte-Welt-Gruppen bemerkt und wollte die Gruppen für seine eigenen Öffentlichkeitsarbeit nutzen", wurde im FORUM, lange Jahre das Informationsorgan der BuKo, berichtet. Die Kampagne "Waffen für El Salvador", ein Aufruf zur Geldspende, führte 1981 zum Bruch mit dem BMZ.Beim Bremer Treffen 1986 wurde die bis dahin weitgehend länderbezogene Solidaritätsarbeit einer kritischen Betrachtung unterzogen. Fortan sollte mehr gegen die allgemeinen Strukturen von Ausbeutung und Verelendung getan werden. Die Demonstration gegen IWF und Weltbank 1988 in Berlin mit ihren 80.000 Demonstranten, bei denen der Verband eine maßgebliche Rolle spielte, wirkt in der Rückschau wie ein fulminanter Endpunkt der ersten Phase eines emanzipativ-sozialbewegten Internationalismus. In diese Zeit fällt der Beginn der Debatten über den Widerstand gegen übergreifende Machtstrukturen, wie das sich neu formierende Europa. Die weltpolitischen Umbrüche seit 1990 veränderten grundlegend die Rahmenbedingungen für Internationalismusarbeit. Vielerorts schlug das in Ratlosigkeit und Ernüchterung um. Immer wieder gab es Debatten um Positionsbestimmungen. "Basisbewegung oder Professionalisierung" war die organisatorische Kontroverse. Im Gegensatz zu vielen NGOs ist die BuKo den Weg zur Lobbyarbeit und zur Professionalisierung nicht mitgegangen. Das Verhältnis zum internationalistischen Spektrum im Osten Deutschlands blieb schwierig: Die BuKo wurde und wird noch immer als eine westdeutsche Organisation wahrgenommen, auch wenn wichtige ostdeutsche Zusammenschlüsse wie das inkota-Netzwerk Mitglied geworden sind.In den 1990er Jahren trat die BuKo hauptsächlich durch die Pharma-Kampagne, die Kampagne gegen Rüstungsexporte und die Agrar-Koordination in Erscheinung. Das "Nesthäkchen", die Kampagne gegen Biopiraterie, wurde 2002 ins Leben gerufen. Die BuKo profilierte sich auch in der Debatte um den Begriff "Nachhaltigkeit", den sie scharf als versöhnlerische Formel kritisierte. Das brachte ihr viel Aufmerksamkeit und politische Sympathie ein, aber auch den Unmut von NGOs. Im Jahr 2002 rief sie zum Boykott der "Rio+10"-Konferenz in Johannesburg auf.Mit der offiziellen Namensänderung öffnete sich "die BuKo" 2002 bei ihrem Frankfurter Kongress ("Tatort Globalisierung"), den 1000 Menschen besuchten, für andere linke Organisationen. Auch wenn nach dem G8-Gipfel in Genua viele AktivistInnen zu Attac eilten, verlor die BuKo im internationalistischen Spektrum - links von Attac - nichts an Bedeutung. Sie steht noch immer für radikalere Positionen und auch für Selbstkritik und Reflexion der globalisierungskritischen Bewegungen. So etwa in der Frage des Bekenntnisdrucks, sich von "Gewalt" zu distanzieren. Die BuKo behielt nach den militanten Protesten in Göteborg gegen den EU-Gipfel im Juni 2001 einen klaren Kopf: Sie erinnerte daran, dass ziviler Ungehorsam immer ein Bestandteil sozialer Bewegungen war. An dieser Frage durfte man sich nicht auseinander dividieren lassen. Dass auf die BuKo auch in naher Zukunft nicht verzichtet werden kann, wurde deutlich, als der Verband vor einigen Monaten in die G8-Mobilisierungsdebatte eingriff: Die zentrale Forderung einer internationalistischen Linken, stellte er fest, könne nur die Delegitimierung der G8 sein. Der erste "im Osten" organisierte Kongress am Osterwochenende war erfreulich gut besucht. Vor allem viele jüngere Menschen schätzen den Anspruch einer grundlegenden Kritik an den Herrschaftsstrukturen. Sie begrüßen es, dass die Debatte nicht beim "nationalen Sozialstaat als Alternative zur Globalisierung" stehen bleibt.