Robert Ménard Der Journalist hat einst in Frankreich die Nichtregierungsorgsanisation "Reporter Sans Frontières" gegründet. Nächstes Jahr tritt er bei Wahlen für den Front National an
Früher war Robert Ménard ein Linker und kämpfte für die Meinungsfreiheit. Jetzt will er, dass es in seiner Heimatstadt Béziers nicht zu viele Moscheen gibt
Foto: Franck FiFe/ AFP/ Getty Images
Für großes Erstaunen sorgt diese Entscheidung kaum. Schon länger hegt der Journalist Robert Ménard Sympathien für den rechtspopulistischen Front National (FN). 2008 erklärte er, er wolle auf die Straße, um die Presse der Partei zu verteidigen; 2011 verfasste er das Pamphlet Vive Le Pen! – im vergangenen Jahr plädierte er auf seinem Blog für eine vereinte Rechte. Der Front National – inzwischen kommt die Partei auf 15 bis 20 Prozent der Wähler – könne nicht mehr ignoriert werden. Nun will Robert Ménard bei den Kommunalwahlen 2014 im südfranzösischen Béziers für die Rechten antreten. „Ich habe dort meine Kindheit verbracht, ich besitze ein Haus, meine ganze Familie wohnt in dieser Gegend
ser Gegend“, sagte er in einem Interview für Le Monde, als es um seine politischen Ambitionen ging – Béziers sei „seine“ Stadt.Aufgewachsen in AlgerienRobert Ménard entstammt einer katholischen Pied-noir-Familie aus dem algerischen Oran, in der man „Gaullisten und Kommunisten hasste“, wie er sagt. Der Vater, ein gelernter Drucker, steht in den frühen sechziger Jahren der Untergrundbewegung OAS (Organisation Armée Secrète) nahe, die sich einer Unabhängigkeit Algeriens vehement widersetzt. Nach dem Kolonialkrieg geht die Familie fast mittellos nach Frankreich, lebt im Département Aveyron und verdammt den gaullistischen Staat. Mit der Mai-Revolte von 1968 schließt sich Ménard zunächst der trotzkistischen Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) an. Er sei entschlossen gewesen, „ein professioneller Revolutionär“ zu werden, wird er später über diese Zeit sagen. Es folgt eine kurzlebige Mitgliedschaft bei den Sozialisten, bevor ihn 1983 Radio France Hérault engagiert. Fortan ist der Journalismus sein Metier. 1985 gründet er die Organisation Reporter Sans Frontières, deren Generalsekretär er bis 2008 bleibt. 2005 erhält Reporter ohne Grenzen den Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments.Ménard, der Aktivist, ist omnipräsent, reist durch den Sudan, nach Palästina und in den Irak. Wo immer ein Journalist in Gefahr gerät – Ménard steigt ins Flugzeug. „Sein Koran, das war die Pressefreiheit“, erzählt Ben Ami Fihmann, ein alter Vertrauter. Die Journalistin Florence Aubenas, die 2005 von irakischen Rebellen entführt wurde und heute beim Nouvel Observateur arbeitet, erinnert sich an seine Hartnäckigkeit: „Das Telefon läutete, Ménard war dran. Fünf Minuten später, der nächste Anruf – wieder Ménard. Und zehn Minuten danach, noch mal Ménard. Als ich in meiner Zelle saß, stellte ich mir vor, er würde das Gleiche für mich tun.“ Das Magazin L’Express bezeichnet ihn als „Nervensäge ohne Ende“. So energisch er seinen Freiheitsanspruch durchsetzt, so autokratisch ist sein Führungsstil. Rony Brauman, ebenfalls ein Gründungsmitglied, konstatiert, Robert Ménards Verhalten gleiche dem eines „kleinen Diktators“.Rage und Furor mögen biografisch oder mit einem instinktiven Misstrauen gegen die Mächtigen begründet sein. Nach den Unruhen in Tibet vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking stört Ménard die Entzündung der olympischen Flamme, er ruft die Staatschefs zum Boykott der Eröffnungszeremonie auf und gefällt sich wieder einmal in der Rolle des Bad Guy. „Ich bin eine Agentur mit schlechter Werbung“, beschreibt er sein Renommee . Mit der FN-Vorsitzenden Marine Le Pen teilt Ménard ostentativ den anti-elitären Impetus, gäbe es doch eine „politisch-mediale Klasse“, die voller Dünkel und von der Überzeugung beseelt sei: Wer nicht so denke wie sie, denke zwangsläufig falsch.„Ich habe keine Lust darauf, dass es in meinem Land genauso viele Moscheen wie Kirchen gibt“, räsoniert Ménard im März 2011, um ein Jahr später das Pamphlet Vive l’Algérie française zu veröffentlichen. Geschichtsrevisionismus, kaschiert als Meinungsfreiheit und gedacht als Argumentationshilfe für einstige Algerien-Franzosen, die mehrheitlich Front National wählen. Dabei geht Ménards Aggressivität weit über die verbreitete „Man wird ja wohl noch sagen dürfen“-Attitüde hinaus. L’Express attestiert ihm die „Rhetorik einer Bulldogge“. Im Vorjahr lanciert Ménard die rechtslastige Informationsseite Boulevard Voltaire, für die unter anderem Jean-Yves Le Gallou schreibt, ehemaliger Europaabgeordneter des FN und Frontmann des pseudowissenschaftlichen Thinktanks Polémia, der durch völkischen Rassismus – „eine Erde, ein Blut, ein Volk“ – von sich reden macht.Klar exponiertZwar hat sich Ménard zuweilen vom Front National öffentlich distanziert und will auch jetzt seine Kandidatur bei der Kommunalwahl als „apolitisch“ verstanden wissen. Das allerdings ist wenig glaubwürdig. Immerhin vertritt er reaktionäre politische Positionen, verteidigt die Todesstrafe, hält Folter „in bestimmten Fällen“ für legitim und wünscht sich, dass seine Kinder nicht homosexuell werden. Eine Ménard-Kolumne des rechtskonservativen Portals Nouvelles de France – der Wikipedia-Eintrag der Seite wurde inzwischen gelöscht – war mit dem Titel Nach der Homo-Ehe die Polygamie? versehen.Kollegen verfolgen diese Tiraden mit Kopfschütteln. „Quelle déchéance!“ – welch ein Verfall – entrüstet sich Edwy Plenel, Produzent der Internetplattform Mediapart. „Der Gründer von Reporter ohne Grenzen, der eine Eloge auf die Todesstrafe hält?“, fragt Plenel entgeistert. Egal, wie Ménard seine Kandidatur bei der Kommunalwahl für den FN begründet: Er kann sich nicht mehr als Herold der Meinungsfreiheit feiern, sondern wird zum Handlanger einer rechtsextremen Partei, die gegen Ausländer und Minderheiten hetzt.
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