Wir haben dieser Tafel eine Tischordnung gegeben, liebe Freunde, eine für Euch hoffentlich erträgliche, vielleicht verstaubt anmutende Reverenz an die nachklingende bürgerliche Ordnung, die immer noch Richtmaß für unsere postbürgerliche Gesellschaft ist, die unser Zusammenleben regelt und endlich den Rahmen bietet, in dem sich unser Erfolg abzeichnen soll oder der Misserfolg unserer Lebensleistung niederschlagen wird.... ob wir wollen oder nicht: Bürger sind wir auch, wo wir die Bürgerlichkeit fliehen möchten.
Nach bürgerlichem Brauch trennt eine Tischordnung alle Paare wie Platons Kugelmenschen, die der Griechengott Zeus in zwei Hälften zerschnitt, damit der Dichter uns die Liebe erklären kann: Als nun so ihr Körper in zwei Teile zerschnitten war, trat jede Hälfte mit sehnsüchtigem Verlangen an ihre andere Hälfte heran, und sie schlangen die Arme umeinander und hielten sich umfasst, voller Begierde, wieder zusammenzuwachsen; und so starben sie vor Hunger und Vernachlässigung ihrer sonstigen Bedürfnisse, da sie nichts getrennt voneinander tun mochten.
Die Tischordnung verhindert also, dass Ihr vor Hunger sterben müsst.... aber diese Regel trennt auch jung von alt, lebhaft von schüchtern, bedächtig von übermütig, ernst von heiter, sie trennt Frau von Frau, Mann von Frau, Mann von Mann: findet Euch neu im Reigen des bunten Zufalls. Wir werden der Versuchung widerstehen, Euch alle einzeln vorzustellen, wir möchten Euch nicht an unsere Erinnerung binden den Abend heute.... Ihr seid ganz frei: Wisst Ihr denn noch, wann und wo wir uns das erste Mal begegnet sind? Wir freuen uns über jeden Gast, jeden Einzelnen, allein oder mit Partner, jedes Paar, jede Familie, Euch alle! Und mit besonderem Vergnügen begrüßen wir alle, die heute zum ersten Mal dabei sind, Eure Jüngsten, Kinder oder Kindeskinder, denn ihre flinken Augen und Finger erinnern uns daran, wie freudig uns selbst die erste festlich gedeckte Tafel unserer Kindheit entrückt hat...
In Platons Fabel von den Kugelmenschen liegt auch der Anlass unseres Treffens verborgen, wir haben versprochen, Euch den Grund unserer Einladung bald zu nennen, es ist kein Jubiläum.... wie Ihr vielleicht noch wisst, sind wir nicht verheiratet, und im Rückblick wundern wir uns über die Beständigkeit unserer unerklärten Verbindung. Wer von Euch kennt überhaupt noch das hintersinnige Oxymoron der „Wilden Ehe“?
Muss eine Ehe ohne Trauschein dramatisch verlaufen wie eine Achterbahnfahrt, immer in Gefahr, aus der höchsten Kurve zu fliegen? Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch erlangen auch mündliche Verträge Gültigkeit, wenn die Vertragsparteien bei Vertragsschluss zurechnungsfähig waren... Aber ein Liebesvertrag müsste sich doch mit jedem Jahr verändern....
Wann kann man Silberhochzeit feiern, wenn kein Datum festgehalten ist? Setzt man einfach den Tag der Unterschrift zum gemeinsamen Mietvertrag? Zählen die Jahre nach einer Trennung neu? Endet das Konkubinat mit getrennten Schlafzimmern? Kann eine wilde Ehe scheitern?
Aber es wird Zeit zu erzählen, wie wir diesen Ort am Meer fanden, ich habe es Euch doch versprochen....
Begrüßung der Gäste
Weiße Stadt – Im Lauf der Zeit
Stärker als der Tod – Hochzeit Blau
Hier endet der 242. Eintrag: Dieser Blog mischt Fiktion mit Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind zufällig und in der historischen Überlieferung nicht verbürgt. Ich bin nur der Navigator, mein Name sei NEMO:
Ich schreibe um unser Leben. Bitte bleib dran.
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