Der Kommunismus bei "Anne Will": eine Farce

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Immer sonntags, noch während der Tatort läuft, raten wir, was wohl gleich das Thema sein wird bei Anne Will. Diesmal: Wird es Dioxin? Bringen sie den Kommunismus? Es kam dann verquast ambitioniert: „Wirtschaftsboom und Jobwunder – wer träumt da noch vom Kommunismus?“. Anne Will moderierte zunächst irritierend am "Thema" vorbei, oder anders: man hatte stark den Eindruck, Will hatte vorm Spiegel eine ganz persönliche Dramaturgie eingeübt, nämlich ihn, Oscar Lafontaine zu kriegen, ihn quotenträchtig für Gesine Lötsch in Haft zu nehmen. Sie fragte so "maliziös" herablassend hartnäckig, was mitunter so unseriös penetrant geriet, dass man ihren Ehrgeiz ein bisschen degoutant finden musste und Lafontaines Geduld nur bestaunen konnte.

Ähnlich hochmütig ambitioniert auch Spiegel-Autor Jan Fleischhauer, der seit seiner Erfindung der journalistischen Selbstvermarktungslücke Allein unter Linken, wohl nur noch in eigener Sache unterwegs ist, ja klar, der Buchverkauf, die Karriere, die Eitelkeit, an so einem Abend googelt man sich selbst, ein Glas guten Rotwein in der Hand. Er guckte also wie fertig gelernt: routiniert überheblich, von Kopf bis Fuß der Ehrgeiz, irgendetwas anti-linkes Schenkelklopfendes loszuwerden. Allein – er fand kaum Raum für seine Grätschen. Und es kam noch schlimmer, seine professionelle Konservativenattitüde wurde lustig entlarvt, denn Lafontaine ist eben ein Ausgebuffter.

Und der Tritt kam unerwartet: Der Spiegel sei doch im Grunde ein ur-kommunistischer Betrieb (Mitarbeiter-Beteiligung!) und er, Lafontaine, könne sich nur wundern, dass Fleischhauer hier also nicht den Kommunismus propagiere. Man beobachtete schadenfroh eine Gesichtsmaske, die von da an statt kühl überlegen hilflos versteinert war. Fleischhauer sagte dann auch die Sendung über gar nix mehr, sondern guckte nur mürrisch konzentriert; "wie wetze ich bloß die Scharte wieder aus", schien er unentweg zu denken, fast am Ende der Sendung reichte es dann doch noch für etwas Pinscher-Bissiges, nahm nur niemand zur Kenntnis. Eine Frechheit der ARD und von Anne Will bleibt es, einen Einspieler aus dem Filmchen Allein unter Linken gebracht zu haben. Denn der hatte weder mit Kommunismus noch mit Wirtschaftsboom - als den vermeintlichen Themen der Sendung - zu tun, sondern war einzig und allein Werbung für Fleischhauer.

Was sonst? Den Part Authentizität übernahmen die Filmemacherin Aelrun Goette und Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge wirklich gut. Es ging den beiden wirklich um die Sache. Besonders Butterwegge trug zum Thema bei. Seine Performance wäre sogar exzellent gewesen, wäre er nicht irgendwann allzu links-kämpferisch abgeglitten, hätte nicht die Frisur definitiv irritiert. Für den politischen Ruhestand empfahl sich endgültig Rainer Brüderle, sein ewiggestriges Liberalengeschwätz wollte doch wirklich niemand mehr hören, zwischendurch googleten wir seine Personalie betreffend noch was anderes, zugegeben, das hatte auch nichts mit dem Thema zu tun.

Foto auf der Startseite: NDR/Wolfgang Borrs

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Geschrieben von

Katharina Schmitz

Redakteurin „Kultur“, Schwerpunkt „Literatur“

Katharina Schmitz studierte Neuere Geschichte, Osteuropäische Geschichte, Politikwissenschaften, Vergleichende Literaturwissenschaften und kurz auch Germanistik und Romanistik in Bonn. Sie volontierte beim Kölner Drittsendeanbieter center tv und arbeitete hier für diverse TV-Politikformate. Es folgte ein Abstecher in die politische Kommunikation und in eine Berliner Unternehmensberatung als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Ab 2010 arbeitete sie als freie Autorin für Zeit Online, Brigitte, Berliner Zeitung und den Freitag. Ihre Kolumne „Die Helikoptermutter“ erschien bis 2019 monatlich beim Freitag. Seit 2017 ist sie hier feste Kulturredakteurin mit Schwerpunkt Literatur und Gesellschaft.

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