Heißer Herbst? Kleiner Überblick über bisher geplante Proteste

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Umzingelung des Regierungsviertels: 18. September
Den Anfang macht die Anti-Atom-Bewegung: Mitte September sollen zehntausende Menschen in Berlin auf die Straße gehen und das Regierungsviertel umzingeln, um die Verlängerung der Laufzeiten zu verhindern und der Forderung nach sofortiger Abschaltung der Atommeiler Nachdruck zu verleihen. „Die Bundesregierung ist mit ihren Atomplänen in der Defensive und uneins. Sie spürt den Druck, der von einer neu erstarkten Anti-Atom-Bewegung ausgeht und von einer breiten Mehrheit in der Gesellschaft getragen wird“, heißt es in einem Aufruf. Außerdem richtet sich die Aktion auch gegen die „unverantwortliche Entsorgungspolitik für den tödlichen Strahlenmüll“ und speziell gegen das geplante Endlager in Gorleben. Derzeit finden bundesweit Regionalkonferenzen und Mobilisierungstreffen statt. Die Aktion „Atomkraft: Schluss jetzt!“ wird bisher unter anderem von den Grünen, der SPD und Naturschutzverbänden unterstützt. Im April hatten sich über 100.000 an einer Menschenkette gegen die schwarz-gelbe Atompolitik beteiligt. „Die Anti-Atom-Bewegung“, hieß es seinerzeit im Freitag, ist „wieder da. 24 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl eignet sich das Thema erneut zur Massenmobilisierung – und offenbar sogar deutlich über das rot-grüne Milieu hinaus. Unter den Demonstranten waren auch Konservative.“

Europäischer Aktionstag: 29. September
Anlässlich eines Treffens der EU-Finanzminister ruft der Europäische Gewerkschaftsbund am 29. September zu einer Demonstration in Brüssel auf, weitere gewerkschaftliche Aktionen soll es auch in anderen Hauptstädten geben. „Diese Krise haben nicht wir zu verantworten, die Rechnung muss von den Banken bezahlt werden und nicht von den Arbeitnehmern“, heißt es im Aufruf, den auch der Deutsche Gewerkschaftsbund unterstützt. Wie das angestrebte „Europa der Beschäftigung, der sozialen Gerechtigkeit und der Solidarität“ aussehen soll, bleibt allerdings ein wenig unscharf. Zu den Forderungen des Aktionstages gehören unter anderem der „Zugang zu hochwertigen und sicheren Arbeitsplätzen und zu Ausbildung für alle“ und ein „starker Sozialschutz als Garant für sozialen Zusammenhalt und Solidarität“. Gewerkschaften wie Verdi und die IG Metall werden sich allerdings nicht auf diese zentrale Veranstaltung beschränken - sie haben Aktionswochen angekündigt (siehe weiter unten). In Griechenland und Spanien sind für den 29. September Generalstreiks angekündigt. Die bisweilen in Internetforen kursierende Hoffnung, dieser Mittwoch könne zum ersten gesamteuropäischen Massenausstand werden, hat wenig Chancen auf Umsetzung. Linke Gewerkschafter hierzulande sehen dabei weniger ein juristisches Problem (die Linkspartei fordert beständig, der Generalstreik müsse auch in Deutschland zugelassen werden), sondern eines der eigenen Organisationsmacht.

Umverteilungsmaschinerie stören: 29. September
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac mobilisiert ebenfalls für den 29. September und will an diesem Tag - dezentral und bundesweit - Kreditinstitute besuchen. „Gehen wir zu den Banken, als konkreten und symbolischen Angriffspunkten dieses Krisensystems! Lasst uns ihre gesellschaftsfeindliche Umverteilungsmaschinerie an diesem Tag stören“, heißt es in einem Aufruf. Damit setzt die Organisation ihre Kampagne fort, die im April mit dem „Bankentribunal“ einen ersten Höhepunkt hatte. Attac kritisiert die bisherige Krisenreparaturpolitik der Regierungen und fordert eine Zerschlagung von Großbanken und ein „dem Gemeinwohl verpflichtetes“ Finanzsystem. „Die grundlegenden Probleme des Finanz- und Bankensystems wurden nicht angegangen. Banken wie die Deutsche Bank sind weiterhin so groß, dass sie die Politik erpressen und die Demokratie zerstören“, so das Netzwerk. Ende Juli gab es im Rahmen der Attac-Sommerakademie bereits einen kleinen Auftakt: Mit einer Menschenkette hatten Attac-Aktivisten in Hamburg Filialen der Commerzbank, der Deutschen Bank und der Targobank symbolisch blockiert. Jutta Sundermann vom Koordinierungskreis erklärte im Freitag, es sei „an der Zeit, unsere Forderungen mit zivilem Ungehorsam in die Öffentlichkeit zu tragen. Wir haben viele Male vor Banken gestanden und dort über den Zusammenhang von Spekulation und Krise informiert. Jetzt müssen wir auch mal einen Schritt weitergehen“.






Krach schlagen statt Kohldampf schieben: 10. Oktober
Für den 10. Oktober ruft ein Bündnis aus Erwerbslosengruppen und gewerkschaftlichen Netzwerken zu einer bundesweiten Demo nach Oldenburg auf. Im Mittelpunkt soll die Forderung nach sofortiger Anhebung der Hartz-Regelsätze stehen. Die Initiativen wollen so in die öffentliche Diskussion um die anstehende Neuberechnung des Arbeitslosengeldes II eingreifen. Während Bundesregierung, die Experten der Wirtschaft und offenbar auch eine Mehrheit der Deutschen die Regelsätze für ausreichend hält und lediglich das Berechnungsverfahren ändern und zusätzliche Hilfen für Kinder an Chipkarten oder ähnliches knüpfen wollen, fordern Erwerbslosengruppen und Sozialverbände eine deutliche Erhöhung - es werden Sätze von 420, 440 oder 500 Euro genannt. Die Oldenburger Demo will dabei auf einen konkreten Missstand aufmerksam machen: die schlechte Ernährungslage. Langzeiterwerbslose erhalten heute „nur 118 Euro monatlich, pro Tag 3,94 Euro, für ein 13-jähriges Kind gar nur 2,67 Euro. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal. Mindestens 80 Euro mehr im Monat sind für eine ausreichende und einigermaßen ausgewogene Ernährung notwendig“, heiß es in einem Aufruf. Symbolisch naheliegend ruft das Initiatoren-Bündnis dazu auf, zur Demo mit Kochtop und Löffel zu erscheinen, um „Krach zu schlagen“. Auch der Zusammenhang von Discountern-Preiskrieg, miserablen Arbeitsbedingungen in Supermärkten und bei Herstellern sowie den niedrigen Transferleistungen will die Demo ins kritische Licht rücken. Man sehe sich in dieser Frage in einer Front mit Gewerkschaften und Landwirten - ob die ebenfalls am 10. Oktober nach Oldenburg kommen, bleibt allerdings abzuwarten.

Verursacher und Profiteure blockieren: 18. Oktober
Seit dem Frühsommer macht der Aufruf eines „Aktionsgruppe Georg Büchner“ im Internet die Runde - und sorgt für ein erstaunliches Echo. Einerseits hätten bisherige Proteste wie die Doppeldemo am 12. Juni in Stuttgart und Berlin „eher von politischer Stagnation, als von Ermutigung und greifbaren Perspektiven“ gekündet. Andererseits könnte man heute selbst in den Zeitungen Aufrufe zum massenhaften Widerstand lesen - wie etwa jenen in der Frankfurter Rundschau: „Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht wir? Die erste Bürgerpflicht nach Vorlage des schwarz-gelben Spardiktats heißt: Aufstand jetzt!“ Die Aktionsgruppe will sich allerdings „ellenlange Erklärungen“ sparen: „Worauf es jetzt ankommt“, heißt es in dem Aufruf, sei, der Wut vieler Menschen „eine Richtung, einen Ort, eine Chance zu geben“. Auf die Parole „Wir zahlen nicht für eure Krise“, die bisher über den Protesten prangte, könne man dabei nicht mehr setzten - sie sei längst von der Realität überholt. „Wir müssen die Richtung ändern, wir müssen die Symbolik hinter uns lassen, wir müssen dafür sorgen, dass die Angst die Seite wechselt. Es ist höchste Zeit, dass sich der Wind dreht, damit das Feuer nicht länger die Hütten niederbrennt, sondern die Paläste der Brandleger heimsucht“, so der ursprüngliche Aufruf. Zu den Zielen gehört unter anderem der alternative Dreiklang 500-30-10, also die Forderung nach einem Hartz-Regelsatz von 500 Euro, einer 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und 10 Euro Mindestlohn. Die Mobilisierung kommt derweil voran: Für den 21. August ist eine Aktionskonferenz angekündigt. Am Tag X, der 18. Oktober, soll dann versucht werden, wichtige Banken in der Finanzstadt Frankfurt zu blockieren. Aktuelle Infos gibt es auch via Twitter.

Gerecht geht anders: Gewerkschaftliche Aktionswochen
„Wir haben DGB-weit für den Herbst Aktionen in Vorbereitung“, hat IG-Metall-Vorstand Hans-Jürgen Urban im Freitag-Interview angekündigt: „Und das wird mehr als eine Demonstration am Samstagnachmittag.“ Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zum Beispiel will „jetzt den Protest in Betriebe und Verwaltungen tragen“. Der Vorsitzende Frank Bsirske hat erklärt, man müsse nun „Druck aufbauen und steigern“. Der Verdi-Landesbezirk Baden-Württemberg hatte bereits zu der Stuttgarter Juni-Demo mit aufgerufen. Im Herbst sollen nun „vielfältige dezentrale Informationsveranstaltungen, Betriebs- und Personalversammlungen sowie in unterschiedlichsten Aktionen in allen Regionen“ folgen. „Wir werden mit Warnschildern überall in der Bundesrepublik deutlich machen, wie sich die soziale Schieflage verschlimmert“, so Bsirske. In einem internen Rundschreiben der Gewerkschaft heißt es, es sei „gelungen, im Anschluss an die Diskussionen in unserer Organisation auf den Frühjahrstagungen, im Beirat und im Gewerkschaftsrat auch die anderen Einzelgewerkschaften und unseren Gewerkschaftsbund für ein gemeinsames Vorgehen im Herbst zu gewinnen“. Gegen Ende der für den Zeitraum vom 24. Oktober bis 13. November geplanten Aktionswochen sollen zudem mehrere regionale Demos stattfinden, entsprechende Planungen laufen „auf Initiative insbesondere von IG-Metall und ver.di schon für Nordrhein-Westfalen und Bayern sowie Niedersachsen-Bremen und Baden-Württemberg“. Zuvor aber sollen „möglichst viele Betriebs- und Personalversammlungen (...) am selben Tag und zur selben Zeit stattfinden“, heißt es in dem Rundschreiben. „Was im Einzelnen betrieblich geht, muss vor Ort eingeschätzt werden und wird von Fall zu Fall sicherlich sehr unterschiedlich sein. Wichtig aber ist, dass das, was geht, auch gemacht wird.“

(Foto: christoph_bellin)

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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