Wir können keinen Mut sehen

Kino Begegnungen zwischen Iran und Oberniederwalde: Der Film "Salami Aleikum" spielt mit Klischees aus den Problemdiskursen der deutschen Mehrheitsgesellschaft

Der gute Witz hat seine Opfer. Sagt der Humorist, dem die gelungene Pointe mehr gilt als Empfindlichkeiten derer, denen er sie erzählt. Lustig ist, wenn alle lachen können, sagt die Mutter, die eine Gleichbehandlung aller der treffenden Pointe vorzieht. Das scheint im ersten Moment zu pädagogisch und damit humorfeindlich gedacht, offenbart in seinem rigorosen Egalitarismus aber eine fast utopisch zu nennende Idee: Wenn alle was zu lachen haben, gibt es keine Opfer mehr, und die Formel dieses Glückes wäre der beste Witz, der je gemacht wurde. So weit ist die Filmproduktionsfirma Dreamer Joint Venture noch nicht. Aber mit Salami Aleikum hat Oliver Stoltz nach Leroy (2007) nun bereits den zweiten Film produziert, der versucht, die Klischees volley zu nehmen, die in Problemdiskursen der Mehrheitsgesellschaft (Afrodeutsche, Muslime, Ostdeutsche) kursieren.

Es könnte alles also auch ganz anders sein. Das probiert die Komödie Salami Aleikum aus, zu der Ali Samadi Ahadi das Buch geschrieben und bei der er Regie geführt hat: Mohsen (Navid Akhavan) ist Deutsch-Iraner, um die 30, zweite Generation – und vor allem ein Hänfling, der kein Blut sehen kann, dessen Vater aber Fleischer ist, weshalb Mohsen sich um die Nachfolge drückt und seine Gefühle in einen Schal investiert, an dem er sein Leben lang strickt. Die Flucht vor der Verantwortung führt zufälligerweise nach Ostdeutschland, wo Mohsen in einem Kaff namens Oberniederwalde landet, das sämtliche Probleme versammelt, die der Wandel in den letzten 20 Jahren hinterlassen hat: eine geschlossene Textilfabrik, rechtsgesinnte Jugendliche, verschlossene Menschen, Tristesse.

Intelligent gedacht, lahm gemacht

Ausgerechnet hier findet Mohsen seine große Liebe Ana (Anna Böger), eine Außenseiterin, weil – wie Mohsen – das Gegenteil von dem, was man sich von ihrem Geschlecht gemeinhin erwartet: Sie ist groß, kräftig und eine ehemalige Kugelstoßerin. Die Liebe geht durch die Familien, weshalb Mohsen eine Intrige einfädelt, die mit dem Missverständnis spielt: Seine Eltern (Michael Niavarani, Proschat Madani) und Anas Eltern (Wolfgang Stumph, Eva-Maria Radoy) sollen miteinander ins Geschäft kommen, gerade über die Vorurteile, die sie voneinander haben: Anas Eltern erwarten einen reichen Perser, der ihnen die stillgelegte Fabrik wieder eröffnet, und Mohsens Eltern wiederum erkennen in der Gastfreundschaft von Anas Eltern (in der familieneigenen Kneipe gibt es persische Gerichte) etwas wieder, das sie im Westen bei ihrer Ankunft nicht vorgefunden haben.

Salami Aleikum ist intelligent angedacht, aber leider lahm gemacht, obwohl sich der Film allerhand Gimmicks einfallen lässt, seine narrative Linearität comic-haft zu unterbrechen – die Protagonisten sprechen in die Kamera oder träumen sich in animierte Phantasiewelten. Was ihm aber fehlt, sind das Tempo und der Mut, das Spiel mit den Klischees so sehr zu beschleunigen, bis keiner mehr weiß, wo diese eigentlich herkommen. In seinem Kern ist der Film so brav und bieder wie andere Experimente (Leroy, Mein Führer), die sich über etwas lustig machen wollten, was sie selbst zu ernst genommen haben. Die Versuchsanordnung, die Salami Aleikum ist, beschreibt der Witz, als den man sie erzählen kann, besser als der Film, der sich scheut, sie durchzuspielen.

Salami Aleikum Regie: Ali Samadi Ahadi, ab 23. Juli in den Kinos

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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