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Kultur : Tanz nah bei Pina

Jérôme Bel betreibt Erkundungen in der Tanztheatergeschichte: Der Abend "Lutz Förster" über Leben und Arbeit des gleichnamigen Tänzers, der die einzige Rolle spielt

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Der schönste Nachruf auf Pina Bausch wurde zu ihren Lebzeiten verfasst. In gewisser Weise hat sie ihn sogar selbst in Auftrag gegeben. Bausch fragte den französischen Tänzer Jerôme Bel – der seit 15 Jahren ein Theater inszeniert, das Wissenschaft und Leute, die noch nie eine Bühnenhaus von innen gesehen haben, gleichermaßen lieben können – ob er nicht sein Stück Veronique Doisneau bei ihr aufführen wolle.

Veronique Doisneau war ein Solo für die gleichnamige Tänzerin in der Ballettgruppe der Pariser Oper, in dem eine, die ihr Arbeitsleben lang in der Compagnie gewirkt hatte, zum Ende dieses Arbeitslebens von sich, der Arbeit, dem Theater erzählen und handeln konnte. Weil Veronique Doisneau zum Zeitpunkt der Anfrage nicht mehr tanzte, schlug Bel Pina Bausch vor, ein ähnliches Projekt mit einem Mitglied ihres Tanztheaters Wuppertal zu realisieren. Und so trägt das Stück, das Bel nun am Berliner HAU präsentierte, den Titel Lutz Förster.

Der einstündige Abend endet mit dem Verweis auf seinem Ursprung: Förster, der die gesamte Zeit allein auf der Bühne des Hebbeltheaters steht, erzählt, dass er 2008 ein E-Mail von Jerôme Bel bekommen habe, und so synchronisiert sich die Produktion mit ihren Bedingungen. Diese Bewegung ist für das Stück wesentlich: Indem Lutz Förster sein Leben erzählt und tanzt, wird sichtbar, wofür Bel sich interessiert. Und weil das Leben von Lutz Förster zum großen Teil die Arbeit für Pina Bausch meint, zitiert Bel aus deren Werk Szenen, die Rückschlüsse auf seine Arbeit zu lassen.

Erfolgreiche Anekdoten

Die Liebeserklärung an einen Stuhl, die aus der Regieanweisung Bauschs hervorging, einen Gegenstand zu loben, wirkt wie eine Vorlage zu Bels Objektpuzzle Nom donné par l‘auteur (1994) oder sein tragisches Scrabble The Show must go on 2 (2004) – und für einen Moment glaubt man, der von Förster umworbene Stuhl könne derart beseelt tatsächlich eine Regung zeigen. Zu dem Lied O Leaozinho des brasilianischen Sängers Caetano Veloso führt Förster die kecken Gesten vor, die Pina Bausch ihm für die Inszenierung Die Kinder von gestern, heute und morgen überlassen hat.

Den emotionalen Höhepunkt des Abends bildet eine Szene aus dem Bausch-Stück Nelken, in der Förster zu Sophie Tuckers Song "The Man I love" den Text in amerikanischer Gebärdensprache miterzählt. Emotional vor allem deshalb, weil diese Szene hier in einem neuen Kontext erscheint: Förster erzählt, ehe er zu tanzen beginnt, von einem früh verstorbenen Freund, der ihn mit amerikanischer Populärkultur und also auch mit Sophie Tucker vertraut gemacht hatte.

Die Intensität dieses Moments, in dem mit einem Mal nicht mehr Nelken der Bezugsrahmen ist, sondern Försters Biografie, und die Doppelbödigkeit, die sich der Übersetzung des Wortes in Bewegung verdankt, bleiben aber rar in Lutz Förster. Das liegt an Förster, der ein wenig zu professionell die Pointen seiner Erzählung bedeutet („Ich mochte es nicht nur, auf der Bühne zu tanzen, sondern auch zu sprechen“).

Und es liegt auch an Bel, der Försters Leben vor allem als Abfolge von erfolgreichen Anekdoten inszeniert (Wie ich einmal mit Bob Wilson arbeitete) und nicht als einen Text, dem eine Dramaturgie, eine pointiertere Struktur abzugewinnen wäre. Lutz Förster gerät so zwar zu einer schönen, weil sanften Erinnerung an Pina Bausch, aber leider auch zu dem vielleicht schwächsten Abend, den Jerôme Bel je gemacht hat.


Nächste Vorstellungen: am 6. und 7. November in Hamburg, am 9. und 10. Januar 2010 in Essen

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