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Kultur : Zieh mal richtig dran!

Kinder sind so: Der Tatort "Hilflos" aus Saarbrücken widmet sich auf unpädagogische Weise dem Thema "Mobbing in der Schule"

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In der vergangenen Woche, beim Trip auf dem Bodensee, der krassen Action, ist diskutiert worden, was man von einem Tatort mit einem Tatort-Budget erwarten kann. In dieser Woche, beim Schulstress in Saarbrücken, lernen wir: Geld ist nicht alles. Im Gegenteil, Hilflos ist vielleicht die sparsamste Variante des Tatorts, die man sich vorstellen kann: eineinhalb Verdächtige, dreieinhalb Schauplätze, und der einzige Schnickschnack ist die Luftaufnahme vom Holzlaster, unter dem der tote Tobias (Sergej Moya) liegt.

Hilflos ist deswegen aber kein schlechter Tatort. Im Gegenteil. Regisseur Hannu Salonen setzt auf Atmosphäre (ruhig, kühl und grey) und den kühlen Look der Distanz, was einschließt, auch einmal Kommissare, die sich am Tatort mit einem Experten unterhalten, von fern zu beobachten wie Silhouetten auf einem Foto (Kamera: Andreas Doub), statt ihnen die Kamera jeweils vor die Nase zu halten. Die Idee mit der Off-Stimme von Maximilian Brückner (Kommissar Kappl), die das Protokoll der Ermittlungen verliest, mit dessen Ende der Film einsetzt und aufhört (klassischstes Krimistilmittel!), schafft ebenfalls einen Abstand, der die Desillusioniertheit, die sich bei der Polizeiarbeit angesichts der Verderbtheit der jungen Leute einstellt, relativ unprätentiös bedeutet.


Verhörtechnikfolge

Hervorhebenswert auch die Momente, die in denen es gelingt, hinter die Floskeln der Fernsehermittlungen zu kommen, aus denen sich üblicherweise so ein Tatort zu 70 Prozent selber baut (beim, es kann nicht oft genug betont werden, von uns geschätzten Kommissar liegen die Anteile naturgemäß noch höher) – hier kommt es vor, dass ein Verdächtiger nuschelt, nicht verstanden wird, und der Kommissar nachfragt: "Tobias, du bist zu leise."

Die Rhetorik-Aficionados unter den Tatort-Freunden werden in Hilflos ein gelungenes Beispiel dafür finden, was sie als Kunst betrachten: Spannung gewinnt der Film (Buch: Stefan Schaller, Sabine Radebold) durch den Widerstreit der Argumente zwischen den Kommissaren Kappl und Deininger (Gregor Weber), die rhetorische Version der beliebten und auch hier exzessiv zur Anfindung kommenden Verhörtechnik "Guter Bulle, böser Bulle".

Auch wenn der lokalkoloröse Deininger sich im verdächtigen Außenseiter Tobias wieder erkennt, was vielleicht nicht unbedingt noch hätte ausgesprochen werden müssen (Kappl: "Bloß weil sie dich als Kind verarscht haben, brauchst du nicht auf seiner Seite zu stehen") – es ist äußerst löblich, dass hier einmal wenig persönlich genommen wird und stattdessen vor allem in der Sache diskutiert.

Die Rache der Unterdrückten

Mokieren wollen wir uns nur ein wenig über die Erzählung: Es geht um Bullying, eine aus dem englischen Sprachraum bekannte Form des sozialdarwinistischen Terrors unter Kindern, hierzulande als "Mobbing in der Schule" geläufig. Die Opposition zwischen den Starken, Beliebten, Reichen, Schönen wie Jonathan Seiwert (Florian Bartholomäi) und Schwachen, Armen, Außenstehenden, Stinkenden (sic) wie Tobias deutet auf eine gesellschaftspolitische Lesart, die der Film dann allerdings ignoriert.

So bleibt's am Ende beim Einzelfall, der den Betrachter zu Hause die Hände über dem Kopf zusammenschlagen lässt, wie schlimm es mit der Jugend von heute steht. Dabei kann man an dem Phänomen, wie Larry Clarks Film Bully aus dem Jahr 2001 gezeigt hat, unter der Hand den ganzen Nord-Süd-Konflikt erzählen, ohne das Schulmilieu nicht Schulmilieu sein zu lassen. Die Rache der Unterdrückten scheint zudem die vorher behaupteten Kräfteverhältnisse auf den Kopf zu stellen: Während sich bei Clark eine Gruppe von Leuten gegen ihren Demütiger verbünden muss, drehen die beiden Randgestalten hier den Spieß einfach um und peinigen den Oberpeiniger.

Firmennamen, die wir wieder sehen wollen: Der Holzlaster stammt von einem Unternehmen "Zickwolf"
Don't try this at home: "Geh mal raus auf die Straße, friss mal ein bisschen Dreck"

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