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Tatort Ein Kölner Tatort, wie er besser in keinem Buche stehen könnte: Ballauf und Schenk zwischen Mord und Sorgerechtsstreitigkeiten

Die Folter endet tatsächlich nie, und anschaulich wird dieser Umstand in seiner spezifischen Form von Fürsorge- und Unterhaltsstreitigkeiten einer an sich geschiedenen Ehe im Kölner Tatort Schmale Schultern. Wo gerade Köln sonst die erste Adresse ist fürs Volkspädagogische, eine Art Bundeszentrale für politische Bildung, verschiebt hier das Buch (Jürgen Werner mit Ulrich Brandt und Stephan Wuschansky) die Argumente zwischen zahlendem Vater Jens (Pierre Besson) und sorgender Mutter Claudia (Nina Petri) so geschickt, fast lustvoll hin und her, dass die unsichtbare Mitte immer schön behauptet wird.

Jeder Versuch, der ermüdeten Kombattanten, sich nicht zu streiten, sondern einen Kompromiss zu finden, endet doch wieder nur in Geschrei. Und fast diabolisch muss die Andeutung genannt werden, dass es im Hause des Teilzeitlovers Cosca (Thomas Sarbacher), der Ottens Freundin und upcoming Ehefrau und damit – neues Scheidungsgesetz! – Lösung all seiner Probleme geschwängert hat, bald zu ähnlichen Szenen kommen könnte.

Was war passiert? Die tote Frau zwischen den Mülltonnen, Kommissar-esk in der ersten Szene entdeckt, befeuert sofort die Ermittlungsarbeit von Schenk (Dietmar Bär) und Ballauf (Klaus J. Behrendt). Ein fast schnörkelloser, an dem, was wir schätzen, der spannenden Täter- und Motivsuche interessierter Tatort (Regie: Christoph Schnee), bei dem selbst die Privatismen der Kommissare – Schenks Tochter (Karoline Schuch hat einen Neuen, einen arbeitslosen Surflehrer) – willkommene Abwechslung bieten. Der toten Frau zwischen den Mülltonnen, Ottens Freundin, Coscas Affäre, Claudias Widersacherin, ist ein Graffito in die verwüste Bude gesprüht worden, was die Aufmerksamkeit auf die Kinder lenkt, die unter Trennungsterror bekanntlich und wie hier vor allem am traurigen, am einmal fast auf Ansage nässenden Sohnemann am meisten leiden, während die Tochter Laura samt Sprüherlover die Dinge bereits selbst in die Hand nimmt.

Bemerkenswert – und als Detail somit spannend – ist die Unterscheidung zwischen einem Graffito und einer "Schmiererei", die selbst der bislang nicht als Kunstsachverständiger aufgefallene Schenk treffen kann: Die Kinder haben sich eines Musters von Einbrüchen und Verwüstungen samt "Schmierereien" bedient, die im Umfeld der Opferwohnung stattgefunden haben, es mit ihrem Graffito aber zu gut, also zu kunstvoll gemacht, weil sie von der ästhetischen Beschaffenheit der anderen Sprühereien ja nichts wissen konnten – in den Meldungen war nur von Graffiti die Rede. Solche Differenzierungen nehmen ein für Schmale Schultern, auch wenn das Aufspringen auf die Einbruchsserie nur halb gewollt war – schließlich hatte Tochter Laura, der es nur um die Bedrohung der neuen Frau des Vaters ging, ein Bekennerschreiben hinterlassen.

Problemlagen als dramatischer Stoff

Ein alles in allem in seiner Solidität herausragender Tatort, eben wegen der Details und dem Umstand, dass gesellschaftliche Problemlagen hier nicht referiert, sondern als dramatischer Stoff begriffen werden. Wenn das Schule macht, fällt vieles, was am Sonntagskrimi mitunter nervt, weg.

Auch sehr schön: die Binnendiskurse, die sich dem treuen Tatort-Zuschauer erschließen. Wo Schüttaufs Dellwo für die junge Polizeianwärterin in der letzten Woche nur Herablassung übrig hatte, gibt sich Ballauf väterlich und erspart dem jungen Kollegen, der angesichts seiner ersten Leiche den Kollegen den Zugang erleichtern wollte und die Mülltonnen weggeschoben hatte, das drohende Donnerwetter Schenks. Die Pointe von Ballaufs freudiger Kaffee-Innovation, der sich, weil er die "Brühe" im Kommissariat satt hat, ein High-End-Produkt aus Sulawesi mit ins Büro bringt, konnte der aufmerksame Zuschauer schon erahnen: Dass der beste Kaffee aus Katzenkot hergestellt wird, wussten wir bereits aus dem legendären Schweighöfer-Tatort vom Anfang des Jahres. Sage noch einer, Fernsehen mache dumm.

Super Ausrede auf die Frage, warum man eine Affäre vor der Polizei solange verschweigen sollte, bis sie selbst drauf kommt: "Ich bin verheiratet, was denken Sie denn!"

Super Antwort, von Erfahrung gesättigt: "Den Satz hören wir in der Situation zum ersten Mal."

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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