Letzte Woche ist die Weihnachts-Literaturbeilage der Süddeutschen Zeitung erschienen. Da man schon länger den Verdacht hegte, dass sich das Feuilleton dieser ur-liberalen und angesehenen Zeitung in der letzten Zeit, nun ja, immer stärker glücklich-männlich gab, machte man sich die Mühe und zählte einmal nach. Und siehe da: von 18 Kritikern waren zwei Frauen; von den 23 besprochenen Büchern stammten zwei von Autorinnen. Wahnsinn, dachte man. Und postete diesen Befund auf Facebook, weil man das heute ja so macht. Da schrieb dann einer sinngemäß, man könnte doch auch eine andere Zeitung lesen, wenn einem das nicht passt.
Nun ist ein Sonderheft der Berliner Zeitschrift Texte zur Kunst erschienen, das sich dem Thema Feminismus widmet. Beinahe alle grundsätzlich werdenden Texte sind von Frauen verfasst worden. Das ist ja leider häufig so. Mehr aber ist zum derzeitigen Stand des Feminismus eigentlich nicht zu sagen. Es sieht noch immer so aus, als sei diese Bewegung so etwas wie eine Gated Community, ein streng vom Rest der Gesellschaft abgezirkelter Bereich, in den nur hineinkommt, wer die Schlüssel besitzt.
Das ist insofern verwunderlich, als man ja durchaus den Eindruck bekommen kann, dass kein Thema so in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen ist, so zum Mainstream geworden ist wie die Frage nach der Gleichberechtigung der Geschlechter. Darüber zu streiten ist schwer in Mode: in der Politik, in den Medien, in der Gesellschaft, bei privaten Gesprächen, manchmal auch im Feuilleton der SZ.
An der Einstellung jedenfalls scheint es nicht zu mangeln. Wo aber liegt dann das Problem? Warum setzt sich nicht durch, was alle als notwendig erachten?
Das Feminismus-Sonderheft beantwortet diese Frage nur zum Teil, auch wenn es einige schön geschriebene und interessante Beiträge u.a. von Julia Voss, Marie-Luise Angerer und Monika Rinck versammelt. Aber ist nicht bereits die den meisten Texten zugrunde liegende Annahme falsch? Ist die Stimmung wirklich so „postfeministisch“ und „postgender“, wie es im Vorwort heißt? Macht man es sich nicht zu leicht, wenn man so tut, als sei seit dem Erscheinen von Judith Butlers Gender Trouble nichts nennenswertes mehr passiert? Kann man nicht auch auf erste Erfolge verweisen?
Doch dazu findet sich nicht viel in diesem Heft. Avantgarde sieht leider anders aus. Auch wenn das Gedankenspiel von Julia Voss, Leiterin des FAZ-Kunstressorts, interessant ist. Sie fragt sich, warum im bisher größten Kunstfälscherskandal in der Geschichte der Bundesrepublik – gemeint ist die fiktive Sammlung Jäger – nur Werke männlicher Künstler kopiert worden sind? Und skizziert schnell einen plausiblen Zusammenhang zwischen den am meisten ausgestellten Künstlern, dem so entfachten Interesse von Sammlern und den dann wiederum steigenden Preisen am Kunstmarkt. Werke von Frauen zu kopieren, lohnt sich demnach einfach nicht.
Diesem Befund ist mit dem Diva-Konzept, das Monika Rinck kunstvoll entwirft, wahrscheinlich nicht beizukommen. Gleichwohl setzt sich dieser Essay wohltuend von den anderen ab, erlaubt er sich doch einen lässigen Schuss überspannter Utopie: „DIVA nenne ich ein Prinzip, das der geistesgegenwärtigen Ablehnung von falschen Kooperationsangeboten zugrunde liegt. Es geht darum, dem Gegenteil von Verführung eine Form zu geben“, schreibt die Berliner Dichterin. Überspanntheit wird darin zu einem Konzept, das sich der allgemeinen Verfügbarkeit, dem bloßen Funktionieren, das Rinck als Anti-Diva bezeichnet, entgegenstellt: „Kollision ist richtig.“ Ob das Feminismus-Sonderheft demnach eine Diva ist, darf bezweifelt werden.
Texte zur Kunst: Feminismus Texte zur Kunst Verlag, Heft 84, Dezember 2011, 15
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