Welten trennen die USA und Lateinamerika

Linksammlung Der Amerika-Gipfel in dieser Woche auf Trinidad und Tobago wird vom Versuch vieler linker Regierungen Lateinamerikas geprägt sein, sich weiter von den USA abzunabeln

Die Neuordnung der Beziehungen zwischen den USA und Lateinamerika wird nicht umhinkommen, das historische Misstrauen im Süden des Kontinents gegenüber den nordamerikanischen Machtinteressen zu berücksichtigen. Die Dominanz des Nordens gegenüber dem Süden hat sich bereits seit dem 19. Jahrhundert entwickelt, wurde aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dadurch verstärkt, dass die USA in diverse militärische Interventionen verwickelt waren, um von Nicaragiua über Panama bis Chile die politischen Verhältnisse in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Auch die 1948 gegründete Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) war bis in die neunziger Jahre hinein ein Spiegelbild des obrigkeitsfixierten Umgangs der USA mit dem Subkontinent im Süden, der schließlich nicht ohne Grund immer wieder als „Hinterhof der USA“ bezeichnet wurde.

So durchdringt die OAS heute mindestens der Wille zum regionalen Gleichgewicht, wenn nicht der Wunsch nach Revanche für den jahrzehntelangen Missbrauch des Staatenbundes durch die USA. Deren Regierungen riefen die panamerikanische Dachorganisation, wenn die brauchbar schien, sie vertrieben die OAS wie ein lästiges Insekt, sobald sich eigene Interessen mit offenen oder verdeckten Interventionen besser dienen ließ.
Als im April 1961 Exilkubaner als Sendboten der Reaktion und Handlanger der CIA auf Kuba landeten, , um die Revolution abzuwürgen, sah die Regierung Kennedy keinen Anlass, sich dafür ein Plazet der OAS zu holen. Als es Fidel Castro ein Jahr später immer noch gab, erinnerte sich Kennedy der OAS und ließ Kuba hinauswerfen. Im Namen von Freiheit und Recht, versteht sich.

1965 schickte Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson im Namen der gleichen Lügen Truppen in die Dominikanische Republik, um dort ein „zweites Kuba“ zu verhindern und ein linksbürgerliches Kabinett zu stürzen. In diesem Fall saß die OAS mit im Boot wie auch im Oktober 1983 bei der „Operation Grenada“, als eine US-Intervention das sozialistische Experiment der Neuen JEWEL-Bewegung auf der winzigen Karibikinsel erstickte. Damit die arme Republik auf ein paar touristische Einnahmen hoffen konnte, bauten die Kubaner gerade einen Flugplatz für größere Maschinen. Das reichte Ronald Reagan, um das Gewehr gegen die kommunistische Expansion auszupacken. Und die Marionetten der Feigheit in Westeuropa, die sonst nicht genug über zivilen Ungehorsam schwadronieren können, applaudierten gehorsam. Die Aufzählung müsste noch um so vieles ergänzt werden, den durch ein Kommandounternehmen der CIA am 11. September 1973 gestürzten Salvador Allende und um die Hubschrauber der argentinischen Obristen, aus denen zwischen 1976 und 1983, als in Buenos Aires ultrareaktionäre Militärs wie die Generäle Videla und Viola regierten, Tausende von politischen Gefangenen ins Meer gestürzt wurden.

Wie gestört das Verhältnis zwischen den USA und Lateinamerika nach all diesen Geschehnissen ist, bedarf keiner weiteren Erklärung. Die Reorganisation der OAS ist deshalb in vollem Gange, aber ihr Image ist durchwachsen, es gilt in vielen Staaten Südamerikas der Slogan: „La OEA no sirve para nada!“ (Die OAS taugt zu nichts). Außerdem haben lateinamerikanischen Staaten nach eigenen Kooperationsformen gesucht, die ihren gesellschaftspolitischen Zielen mehr entsprechen als etwa die von den USA gewünschte Inneramerikanische Freihandelszone ACLA.
Ein Beispiel und Gegenentwurf ist die von Fidel Castro und Hugo Chavez auf den Weg gebrachte Alternativa Bolivariana para las Americas (ALBA)
Aber auch nach anderen Formen der kontinentalen Verständigung und Zusammenarbeit wird gesucht bei der Abwehr des Drogenhandels, beim Schutz der Urwälder, beim Umgang mit Migration oder bei Antworten auf die Frage gesucht, ob der Gemeinsame Markt MERCOSUR (Brasilien, Argentinien, Paraguay, Uruguay, assoziiert: Chile) mehr sein kann als eine von Zöllen befreite Warenbörse.


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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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