Meine Berliner Mauer

Wendeherbst Für einen sowjetischen Auslandskorrespondenten der Agentur "Nowosti" in Berlin war die Ost-West-Grenze ein Ort der Gratwanderung, die schon mit der Kindheit begann
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Meine erste schmerzhafte Berührung mit Deutschland hatte ich als Elfjähriger. Als Schüler der fünften Klasse wollte ich weder Deutsch lernen noch neben Walja Kind sitzen, einem niedlichen Mädchen aus einer wolgadeutschen Familie, die im Krieg zwangsweise nach Sibirien ausgesiedelt worden war. Walja verweigerte ebenfalls den Deutschunterricht und lehnte es ab, die Bank mit mir zu teilen. Auf diese Weise haben wir Kinder uns identifiziert. Ich wollte mit Walja nichts zu tun haben, um zu zeigen, dass wir Russen die Deutschen hassen. Das traf kurz nach dem Krieg auf fast jeden in der Sowjetunion zu – das war unsere „Mauer“, die uns von Deutschland trennte.

Trotzdem lernte ich Deutsch. Wir lebten während der fünfziger Jahre in einer sibirische