Sammelwut verfassungswidrig

Teilerfolg Das Bundesverfassungsgericht hat ein richtungsweisendes Urteil zum Schutz persönlicher Daten gefällt. Kritiker der Vorratsdatenspeicherung klagen dennoch weiter

Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist ein Erfolg für all diejenigen, die für den Schutz der informationellen Selbstbestimmung eintreten. Die Vorratsdatenspeicherung, wie sie derzeit hierzulande im Gesetz verankert ist, verstößt laut Bundesverfassungsgericht gegen das Grundgesetz und ist somit nichtig. Die Daten, die Telekommunikationsunternehmen und Internetprovider gebunkert haben, seien "unverzüglich zu löschen".

Allerdings hat das höchste Gericht nicht die Vorratsdatenspeicherung an sich für verfassungswidrig erklärt, wie viele der insgesamt 35.000 Kläger gehofft hatten. Auch die EU-Richtlinie, die Vorgabe für das Bundesgesetz war, wurde nicht in Frage gestellt. Doch das Gericht formulierte Voraussetzungen für die Vorratsdatenspeicherung, die erfüllt sein müssen: Dies seien insbesondere "anspruchsvolle und normenklare Regelungen" in puncto Datenschutz, Datensicherheit und Zugriffsrechten sowie eine anspruchsvolle Verschlüsselung und transparente Kontrolle über den Verbleib der Daten. Der Bundesdatenschutzbeauftragte müsse dabei hinzugezogen werden.

Bisher verpflichtete das Gesetz die Telekommunikationsunternehmen dazu, Daten von Telefon-, E-Mail- und Internetverbindungen aller Bundesbürger ohne konkreten Anlass jeweils sechs Monate lang zu speichern. Die seit 2008 geltende Vorschrift erlaubt Polizei, Staatsanwaltschaft und Geheimdiensten, die Daten unter bestimmten Umständen abzurufen. Das Abrufen der Daten wurde allerdings bereits 2008 durch eine einstweilige Anordnung beschränkt.

Der letzte Urteilsspruch aus dem Mund von Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier, der nach zwölf Jahren aus dem Amt scheidet, basiert auf der Unverletzlichkeit des Post- und Fernmeldegeheimnisses. Es gibt außerdem Bezüge zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das durch das sogenannte „Volkszählungsurteil“ von 1983 erstmals festgeschrieben wurde. Für Papier mag die heutige Entscheidung der Judikative eine persönliche Genugtuung sein, er hat schon seit geraumer Zeit vor ausufernder Datensammelwut sowie ausufernder Computertechnologie gewarnt.

Die Kritiker der Vorratsdatenspeicherung fordern weiterhin deren vollständige Abschaffung und wollen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auch gegen die diesbezügliche EU-Richtlinie vorgehen. In Deutschland jedenfalls muss jetzt erst einmal der Gesetzgeber nachbessern in Sachen Vorratsdatenspeicherung.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Connie Uschtrin

Redakteurin Politik

Avatar

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden