Der König polarisiert

Thailand Es scheint noch verfrüht, von einer republikanischen Bedrohung der monarchistischen Ordnung zu sprechen. Doch wäre ein Umsturz derzeit mehr als ein Regierungswechsel

Die anhaltenden Proteste in Thailand, das am zurückliegenden Wochenende die schlimmste Gewalt seit fast 20 Jahren erlebt hat, werden allzu oft als Konflikt zwischen zwei Parteien dargestellt, die sich beide gleich schlecht verhalten: die arme Landbevölkerung, angespornt von dem vertriebenen Industriemagnaten und Ex-Premier Thaksin Shinawatra auf der einen, und die von der Armee und den Monarchisten unterstützte Elite auf der anderen Seite. Die einen tragen rote Hemden, die anderen gelbe. Beide – so der Vorwurf – würden dieselbe Taktik anwenden. Doch trifft diese Wahrnehmung nur bedingt zu.

Es steht Regierungschef Abhisit Vejjajiva im Augenblick schlecht an, über die Intervention des Gipfels der Assoziation der Südostasiatischen Staaten in Pattaya allzu überrascht zu sein. Die ASEAN hat Grund besorgt zu sein, wenn die Gelbhemden, von denen einige in Abhisits Kabinett sitzen, beide Flughäfen besetzen, um den Rücktritt der Regierung zu erzwingen. Der Unterschied besteht darin, dass auf die Gelbhemden niemand geschossen hat.

Von den Toten erschüttert

Dieses Mal könnte etwas Grundsätzliches geschehen. Ex-Premier Thaksin jedenfalls ist der Auffassung, nun, da die Regierung Panzer in den Straßen auffahren lasse, sei es Zeit für eine Revolution. Wenn es eine solche geben sollte, könnte die aber anders aussehen, als es sich der Oligarch vorstellt. Wenn, wie der Politikwissenschaftler Giles Ji Ungpakorn auf der Internetseite des Guardian geschrieben hat, die Proteste Ausdruck einer breiteren sozialen Bewegung sind, dann werden sich die Rothemden nicht mit der Rückkehr ihres Helden Thaksin begnügen, sondern für sich selbst einen größeren Part in einer Gesellschaft beanspruchen, die von den städtischen Eliten dominiert wird.

Auch wenn König Bhumipol Adulyadej sich nicht einmal zu Wort meldete, als die Demonstranten seinen königlichen Berater, General Prem Tinsulanonda, angriffen, scheint es noch verfrüht, von einer republikanischen Bedrohung der monarchistischen Ordnung zu sprechen. Es hat dem Königshaus aber offensichtlich nicht besonders zum Vorteil gereicht, in einer solchen Situation eng mit dem Militär und der konservativen Elite in Verbindung gebracht zu werden. Das ganze Land ist von den Toten des vergangenen Wochenendes erschüttert und niemand weiß, wie die Dinge sich weiter entwickeln. Stand der König früher für Stabilität und Ausgleich, so wird der Umstand, dass er aus eigenem Unvermögen, sich zu distanzieren, mit dem Status Quo in Verbindung gebracht wird, die thailändische Gesellschaft nun umso stärker polarisieren.

Auf verlorenem Posten

Inzwischen musste Regierungschef Abhisit weitere schwere politische Rückschläge einstecken. Armeechef Anupong Paochinda schloss aus, das Militär einzusetzen, um die Besetzung öffentlicher Gebäude durch Demonstranten zu beenden und nannte die Forderung nach Auflösung des Parlaments einen vernünftigen Schritt. Dann kam die Nachricht, die Wahlkommission habe die Auflösung der Regierungspartei empfohlen, weil die angeblich illegale Spenden angenommen habe. Dies dürfte Abhisits Widerstand gegen das Verlangen nach vorgezogenen Neuwahlen erheblich schwächen. Sollte es zu einem solchen Urnengang kommen und der von Gefolgschaft des Exilanten Thaksin gewonnen werden, dürften auch die Rothemden wiederum des Stimmenkaufs und der politischen Korruption angeklagt werden. Es lässt sich nur schwer entkräften, dass der Ex-Premier die arme Landbevölkerung als sein politisches Vehikel benutzt.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

The Guardian

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