Auf Ächtung bedacht

Israel Entsetzen und Empörung weltweit hat der Überfall der israelischen Armee auf die Hilfsflottille für den Gaza-Streifen ausgelöst, bei dem 16 Menschen ums Leben kamen

Der israelische Staat hat wieder einmal gezeigt, dass ihm internationales Recht und humanitäre Normen vollkommen gleichgültig sein können. Die kleine Flottille mit Hilfsgütern für den isolierten und systematisch ausgehungerten Gaza-Streifen in internationalen Gewässern aufzubringen, ist ein Akt brutaler Machtdemonstration und damit ein Fall für den Weltsicherheitsrat wie den Internationalen Gerichtshof (ICC). Dass bisher keine israelische Regierung die Rechtsprechung dieses Gremiums respektiert hat, tut nichts zur Sache. Sudan, im Westen gern als Schurkenstaat etikettiert, hat den ICC ebenso wenig anerkannt, trotzdem gibt es ein Verfahren und eine Anklage gegen den Präsidenten Omar al-Bashir wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Wenn es wirklich so viele Tote an Bord des türkischen Schiffes IHH gegeben hat – die Rede ist inzwischen von 16 Opfern, darunter auch türkische Soldaten – ist das nicht nur erschütternd, sondern auch ein Beleg dafür, dass unmenschlichem Vorgehen ausgesetzt ist, wer menschlich handeln will. Es bleibt lebensgefährlich, einem Volk beistehen zu wollen, das unter der schulterzuckenden Resignation der so genannten Staatengemeinschaft oder bei wohlwollendem Verständnis der Freunde Israels, nicht zuletzt der deutschen Regierung, kolonisiert wird.

An Bord der Schiffe befanden sich etwa 10.000 Tonnen Hilfsgüter, darunter 150 Fertighäuser, 500 Rollstühle und medizinische Ausrüstung. Schon einmal, im August 2008 waren solche Archen der Unerschrockenen zwischen Zypern und dem Gazastreifen unterwegs. Sie nahmen ein ähnliches Schicksal. Nur erfolgte die Enterung der Schiffe nicht mit dieser kaltblütigen Brutalität wie in der Nacht vom 30. zum 31. Mai 2010.

Was will die Regierung Netanjahu-Lieberman der Welt mit diesem Übergriff beweisen? Sie arbeitet entschieden daran, dass ihr Staat immer mehr verachtet und gehasst wird. Sie belastet das Verhältnis zu den USA, speziell zu Präsident Obama, der wieder einmal in seinen Friedensbemühungen brüskiert wird. Die gerade erst in Gang gekommenen indirekten Gespräche mit der Fatah von Mahmud Abbas werden von den Vorgängen im Mittelmeer nicht unberührt bleiben. Die PLO kann es sich nicht leisten, die vor aller Welt exekutierte und außerhalb des isrealischen Hoheitsgebietes demonstrierte Blockade des Gaza-Streifens zu ignorieren. Es sind palästinensische Landsleute, die dort leiden und überleben müssen. Manchmal entsteht der Eindruck, es sitzen fanatische Antisemiten in der Regierung des Premiers Netanjahu, die Israel um jeden Preis schaden wollen. Außenminister Lieberman und Generalstabschef Gabi Aschkenasi schüren gerade eine Hasskampagne gegen den Richter und jüdischen Südafrikaner Richard Goldstone, der es gewagt hat, die Gaza-Aggression vom Januar 2009 zu beleuchten und der isarelischen Armee Kriegsverbrechen zu bescheinigen. Mehr schaden wollen, kann man sich eigentlich nicht.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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