Muskelpakete in der Taiga

Russland Premierminister Wladimir Putin zeigt nicht nur beim Jagen und Fischen einen nackten Brustkorb. Wenn es sein muss, sitzt er auch mit Gattin Ljudmilla brav auf dem Sofa

Ja früher, da gab es in Russland noch echte Männer. Verschwitzt im Ringelhemd und in groben Stiefeln schufteten sie auf Vorposten des Sozialismus, erbauten Wasserkraftwerke oder verlegten für die Baikal-Amur-Trasse Schienen in der Taiga. Oft waren es junge Komsomolzen, die sich aus Lust am Abenteuer in der Wildnis durchschlugen und aushielten. Heute sterben sie aus, die Pioniere des rauhen Lebens, die am Lagerfeuer traurige Lieder zur Gitarre hauchen. Auch das Outfit hat sich geändert, in – wie sie hoffen – weltläufiger Manier erscheinen die Russen selbst zum Schaschlik-Grillen mit Basecap, weißen Jogging-Schuhen und teuren Trainingshosen .

Als sich Wladimir Putin, damals noch Präsident, im August 2007 das erste Mal als sibirischer Angler mit nacktem Oberkörper ablichten lässt, ist das Design ebenfalls perfekt: Dunkle Brille und Trapperhut im Western-Stil. Auf einer anderen Tour in der gleichen Gegend zeigt Putin wiederum seinen muskulösen Brustkorb, nur hält er diesmal lässig eine Flinte im Arm. Er wird mit diesen Auftritten kaum Jugenderinnerungen von Komsomolzen heraufbeschwören wollen, die seines Alters sind. Es dürfte mehr um die 20- bis 30-Jährigen gehen, bei deren Fernsehkonsum amerikanische Block-Buster hohe Wertschätzung genießen. Sie können mit einem russischen Schwarzenegger etwas anfangen, der furchtlos gegen das Böse und für Gerechtigkeit kämpft. So fliegt Putin im März 2000 – sechs Tage vor der ersten von ihm gewonnenen Präsidentenwahl – als Copilot eines Kampfjets ins tschetschenische Grosny, als dort noch geschossen wurde. Jahre später legt er in Sibirien einem betäubten Tiger ein Halsband an, um letzten Sommer über mit einem Lada Sport 2.500 Kilometer durch Russlands Fernen Osten zu fegen.

Der starke Mann, zuweilen mit nacktem Oberkörper, das regt nicht nur die Phantasien der Frauen, sondern auch der Journalisten an. Ein smarter Athlet kann keiner Aphrodite widerstehen, so die Meinung vieler Zeitgenossen. Und so schien es nicht abwegig, als das Wochenblatt Moskowski Korrespondent im April 2008 behauptete, Putin habe sich von seiner Ehefrau Ljudmilla getrennt und beabsichtige Alina Kabajewa, Olympiasiegerin in rhythmischer Sportgymnastik, zu heiraten. Der mutmaßliche Freier reagierte verärgert, an der Story sei „kein Wort wahr“, teilte er der Presse mit. Er habe nie etwas davon gehalten, „sich mit eigenen erotischen Phantasien in fremdes Leben einzumischen“.

Die Geschichte von Putins angeblicher Liebschaft fand in Russland kein Echo, auch weil Moskowski Korrespondent die Fakten schuldig blieb. Selbst als die New York Post vor einem Jahr berichtete, Kabajewa habe einen Sohn geboren, reagierte in Russland niemand, denn die Sportlerin, die inzwischen in der Duma sitzt, wurde weder schwanger noch mit Baby gesehen.

Auch wenn Ehefrau Ljudmilla die Öffentlichkeit meidet, hielten Putins PR-Berater im Oktober die Zeit für günstig, um ein Gruppen-Foto zu arrangieren und zu zeigen – es ist alles, wie es sein soll. Anlass war der Besuch einer Studentin, die mit dem Fragebogen zur Volkszählung vorstellig wurde. Den füllte man aus, und das Ehepaar Putin saß dabei artig auf dem Sofa.

Und doch: Mit seiner freizügigen Präsentation hat Putin 2007 einen Bann gebrochen. Zwei als „Kreml-nah“ geltende Medien-Experten produzierten jüngst zum ­Geburtstag des Premiers einen Pin-up-Kalender des Titels Happy birthday, Mr. Putin. Für jedes Blatt hatte sich eine Moskauer Journalistik-Studentin bis auf die Spitzenunterwäsche ausgezogen und den Erlauchten angefleht, er möge doch irgendetwas mit ihr unternehmen: Eine Spritztour im Auto vielleicht oder „noch einmal der Feuerwehrmann sein“. Studentin Lena hat für März zu vermelden: „Der Wald wurde gelöscht, aber ich brenne noch!“ Putins Pressesprecher Dmitri Peskow wollte dieses Wünsch dir was! nicht verdammen. Im Gegenteil. Die Studentinnen hätten eine „aktive Position im Leben“, zitierte er seinen Chef. Das Wichtigste sei nur, dass sich das nicht „auf den Lernprozess“ auswirke.

Ulrich Heyden ist Russland-Autor des Freitag

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