10 Jahre Laufzeitgarantie

Ausstiegspläne Der Atomausstieg wird sich verzögern, weil es keine festen Ausstiegsdaten geben soll. Stattdessen bleiben flexible Reststrommengen - ein Relikt der rot-grünen Regierung

Manche Zeitungen können in die Zukunft sehen: "2022 geht der letzte Atommeiler vom Netz“, weiß die WAZ. Die Augsburger Allgemeine titelt: "Deutschland steigt bis 2022 aus“ und auch beim Tagesspiegel liest man: "Atom – in elf Jahren ist Schluss“. Bislang sind die schwarz-gelben Ausstiegspläne aber bloß – Pläne. Und zwar nicht einmal besonders gute.

Denn Union und FDP plädieren für einen Hauruck-Ausstieg: Die ältesten Reaktoren bleiben abgeschaltet, alle anderen dürfen noch mindestens zehn Jahre weiterlaufen und sollen dann innerhalb von ein oder zwei Jahren gleichzeitig vom Netz gehen. So steht es im Koalitionsbeschluss, über den die taz berichtet.

Was zunächst etwas verrückt klingt, lässt sich mit dem System der Reststrommengen erklären, dem Ergebnis der rot-günen Ausstiegsverhandlungen mit den AKW-Betreibern. Demnach gibt es keine festen Abschalttermine, sondern jedes Kraftwerk erhält eine bestimmte "Reststrommenge“, die es noch produzieren darf, danach wird es stillgelegt.

Mindestens zehn Jahre weiterlaufen

Der rot-grüne Ausstieg war deshalb auch nicht bis zum Jahr 2020, 2021 oder 2022 befristet. Es war ein Ausstieg mit offenem Ende. Merkels Laufzeitverlängerung hat die Reststrommengen einfach vergrößert, das System blieb. Und auch in der aktuellen Diskussion deutet alles darauf hin, dass es keine festen Abschalttermine geben wird.

Die Folgen sind fatal, denn die Reststrommengen können von einem AKW auf das andere übertragen werden. Die acht abgeschalteten Reaktoren bescheren den übrigen neuen Anlagen dadurch ein längeres Leben. Hinzu kommen Strommengen aus dem AKW Mülheim-Kärlich, das bereits 1988 abgeschaltet wurde. In der Summe können alle neun übrigen Kraftwerke noch mindestens zehn Jahre weiterlaufen.

Das sorgt erstens für mangelnde Investitionen in erneuerbare Energien, weil zu viel überflüssiger Atomstrom den Verkauf von Ökostrom erschwert. Zweitens wird in zehn Jahren das große Jammern beginnen: Neun Atomkraftwerke auf einmal abschalten? Und das nach einem bloß langsamen Ausbau der regenerativen Energien? Vielleicht entscheidet sich eine zukünftige Regierung noch einmal um. Auf die paar Jahre kommt es doch nicht an...

Neue Regierung, neues Glück

Probleme mit den Reststrommengen gab es schon in der Vergangenheit: Vor der letzten Bundestagswahl haben die Energiekonzerne ihre ältesten Reaktoren mit geringerer Leistung gefahren. Worum es dabei ging, hat RWE-Chef Jürgen Großmann ganz unverhohlen gesagt: "Wir können den Reaktor in Biblis so fahren, dass wir mit Restlaufzeiten über die nächste Bundestagswahl kommen. Und dann gibt es vielleicht ein anderes Denken in Bevölkerung und Regierung."

Auch stillstehende AKW verzögern durch eine Reststrommengen-Regelung den Atomausstieg. Je mehr Störfälle, je mehr Reperaturen, desto länger dürfen die deutschen Atomkraftwerke laufen.

Die großen Umweltverbände sind sich daher einig: Es muss feste Abschaltdaten für die einzelnen Atomkraftwerke geben. SPD und Grüne sind bei der Idee zurückhaltend, haben sie doch die Reststromengen ersonnen. Für Union und FDP ist eine Reststrommengen-Regelung verlockend: Nach außen können sie den schnellen Atomausstieg verkünden und die Energiekonzerne wissen, dass ihre Reaktoren zehn Jahre lang nichts zu befürchten haben.

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