Empfehlung der Woche

Daten sind Macht

Daten sind Macht

Katharina Schüller

Hardcover, gebunden

352 Seiten

35 €

Zur Empfehlung
DOK Leipzig

DOK Leipzig

Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm

Vom 27. Oktober bis 2. November 2025
An unterschiedlichen Orten in Leipzig und online (DOK Stream)

Zur Empfehlung
The Mastermind

The Mastermind

Kelly Reichardt

Drama

USA 2025

110 Minuten

Ab 16. Oktober 2025 im Kino!

Zur Empfehlung
Echo des Unbekannten

Echo des Unbekannten

Vom Umgang mit Tod und Vergänglichkeit

Kunsthalle „Talstraße“

Talstraße 23 | 06120 Halle (Saale)

Vom 2. Oktober 2025 bis 15. Februar 2026!

Zur Empfehlung

Politik : Wenn Täter mitentscheiden

Der Runde Tisch, der sexuelle Übergriffe in Institutionen und in der Familie aufhellen sollte, legt seinen Abschlussbericht vor. Opferverbände sind enttäuscht

Zum Kommentar-Bereich

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Share Icon
Jetzt kostenlos testen

Skandale, die an den Grundfesten der Gesellschaft rühren, bedürfen besonderer Bearbeitungsformen. Als 2010 die Enthüllungen über sexuelle Übergriffe – zunächst in Institutionen der katholischen Kirche, dann auch in pädagogischen Vorzeigeprojekten wie der Odenwaldschule – nicht abreißen wollte, setzte der Bundestag Christine Bergmann als Beauftragte für die Aufarbeitung des Missbrauchs ein. Sie leitete 18 Monate lang, bis zum 30. November den „Runden Tisch“, der zum einen eine Anlaufstelle für die Opfer sein und zum anderen Vorschläge zu deren Entschädigung und zu Präventionsmaßnahmen machen sollte.

Nun liegt sein Abschlussbericht vor, und die Reaktionen sind geteilt. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zeigt sich sehr zufrieden mit der Arbeit der Kommission und lobt die „sehr sehr vielen Empfehlungen“. Es solle Hilfen geben, kündigte sie im Deutschlandradio an. Aber der von den Opfern geforderte Entschädigungsfonds, in den alle in den Missbrauch verwickelten Institutionen einzahlen, wird nicht kommen, sondern „es wird in jedem Fall die Verantwortung der Institution geben für das, was bei ihnen von einzelnen Personen an wirklichen Übergriffen, an Verletzungen stattgefunden hat.“

Befürchtung bewahrheitet

Damit bewahrheitet sich, was Opferverbände schon frühzeitig befürchteten: Dass es nämlich den Institutionen überlassen bleibe, welche Maßnahmen sie ergreifen, um sexuelle Gewalttaten zu verhindern und wie sie rückwirkend die Opfer entschädigen. Schon bei Einrichtung des Runden Tisches war kritisiert worden, dass die beteiligten Einrichtungen in großer Zahl eingeladen worden waren, die Opfer zu Beginn aber überhaupt nicht und nach ihrem öffentlichen Protest erst auf Bergmanns nachdrückliche Initiative. Doch wurden sie nur marginal und ohne Stimmrecht berücksichtigt.

Inwieweit es sinnvoll ist, den Opfern Therapieangebote zu machen, statt sie mit ausschließlich mit Geld abzufinden, steht dahin. Soweit dies dazu führt, regulären Angebote für Opfer sexuellen Missbrauchs – dieser Begriff ist umstritten, weil er verharmlosend ist und einen sexuellen „Gebrauch“ von Menschen impliziert – auszuweiten, ist dagegen nichts zu sagen. Gleichzeitig sind die Entschädigungszahlungen aber auch ein Ausdruck dafür, dass das Leid der Betroffenen gesellschaftlich wahr- und ernstgenommen wird und die Institutionen, die die Übergriffe zuließen, deutlich machen, dass sie versagt haben und sich dafür entschuldigen. Ihnen selbst zu überlassen, wie hoch sie die Schuld einschätzen, ist so, als würde man vor Gericht einen Täter über die Höhe seiner Haftstrafe entscheiden lassen.

Selbstverpflichtung zur Selbstanzeige

Problematisch sehen die Opferverbände auch die Selbstverpflichtung der Institutionen zur Selbstanzeige, die den Übergriff zum verfolgbaren Offizialdelikt macht. Natürlich sollen Täter nicht einfach davonkommen, sagen die Vertreter der Opfer; doch bislang sei die Arbeitsweise der Strafverfolgungsbehörden dermaßen opferfeindlich, dass sowieso nur jeder siebte Fall zur Verurteilung komme, berichtet Ursula Enders des Opferschutzverbandes „Zartbitter“. Dagegen würden die Opfer noch einmal „entblößt“ und diskreditiert, weil ihr Name öffentlich werde. Sie schlägt vor, die Opfer zunächst zu stabilisieren und bessere Regeln im Umgang von sexuellem Missbrauch in Schulen einzuführen – zum Beispiel die Einsetzung von Ansprechpartnern.

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat angekündigt, zumindest die viel zu kurze Verjährungsfrist im Zivilrecht, wo eine sexuelle Gewalttat nach schon drei Jahren nicht mehr verfolgt werden kann, auf 30 Jahre zu erhöhen. Kompromissloseren Opfervertretern ist auch das zu wenig. Sie fordern die vollständige Aufhebung der Verjährungsfrist auch im Strafrecht, um die Opfer vom Druck zu entlasten, in einem vorgegebenen Zeitraum Klage zu erheben. Nimmt man die Auswertung der Hotline nicht nur des Runden Tisches, sondern auch der Deutschen Bischofskonferenz als Indiz, ist diese Forderung berechtigt: Dort haben sich nämlich viele Anrufer erst nach 30 Jahren und mehr über das geäußert, was ihnen in der Vergangenheit angetan worden ist.

sticky banner image

1 Monat für € 16 € 0

Entdecken auch Sie den Freitag digital mit Zugang zu allen Artikeln auf freitag.de inkl. F+