Spielzeug statt Infrastruktur

Open Data Innenminister Friedrich hat den Wettbewerb Apps4Deutschland eröffnet. Ein Beitrag zu mehr Transparenz und Demokratie im Umgang mit Daten ist das nicht

Nun ist der Startschuss gefallen: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat den Apps4Deutschland-Wettbewerb eröffnet. Den was?

Apps steht für Applications, also kleine Softwareprogramme die für verschiedene Zwecke nützlich sein können. In dem Fall sollen die Teilnehmer des Wettbewerbs mit Daten hantieren, die einige Verwaltungsbehörden von Bund und Ländern dafür freigeben. Was dabei heraus kommen kann: Helferlein auf dem Mobiltelefon oder generell im Internet. Thematisch sind solche Apps meist in dem Bereich parlamentarischer Politik, Gesundheitsversorgung, Müllentsorgung oder öffentlichen Personennahverkehr angesiedelt.

Inspiriert werden solche Wettbewerbe – es gab davon weltweit mittlerweile einige Dutzend – von einem Vorläufer aus dem Jahr 2008. Der fand seinerzeit in Washington statt und nannte sich Apps4Democracy. Dass es unter einem Schirmherrn wie Friedrich mehr um Deutschland als um Demokratie geht, verwundert nicht. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass es nicht zum Namen „Bundesdatenschau“ reichte, der auch im Rennen war.

Wortklauberei mag man meinen. Und gleich auch noch Verständnis dafür aufbringen, dass die Initiatoren des Wettbewerbs – drei Nichtregierungsorganisationen – in den sauren Apfel bissen und sich mit netzpolitisch fragwürdigen Organisationen wie BITKOM oder der Firma Microsoft einließen. Hauptsache es passiert überhaupt etwas auf dem politisch hierzulande so stiefmütterlich behandeltem Feld von Open Data und Open Government.

Feigenblatt für zögerliche Politik

Doch das ist kein gutes Argument. Niemand sollte in Kauf zu nehmen, als Feigenblatt für eine Politik zu fungieren, die sich – von wenige Ausnahmen abgesehen – gegenüber der internationalen Dynamik in Sachen offener Daten und transparentem Regierungshandeln taub stellt.

Um nicht missverstanden zu werden: Es bestehen keine Zweifel an der Lauterkeit von Aktivisten des Open Data Networks, des Government 2.0-Netzwerkes und der Open Knowledge Foundation. Aber es gibt eben auch keine guten Gründe, zusammen mit dem Innenministerium einen Wettbewerb zu starten, zumal die Erfahrung mit ähnlichen Veranstaltungen eine klare Sprache spricht.

In den vergangenen drei Jahren hat sich gezeigt, dass so gut wie kein Gewinner eines solchen Wettbewerbs es mit seiner Idee geschafft hat, sich als Dienst zu etablieren. Alex Howard hat in „Everyone jumped on the app contest bandwagon. Now what?“ zahlreiche Gründe angeführt, warum das so ist. Die Teilnehmer der Wettbewerbe seien nicht weiter eingebunden worden, man stellte ihnen keine Infrastruktur zur Verfügung, um ihre Ideen weiterzuentwickeln.

Auch beim Wettbewerb Apps4-Deutschland wird nicht explizit verlangt, dass die Teilnehmer Geschäftsmodelle darlegen, wie ihre Anwendung langfristig am Leben gehalten werden könnten. Bei Preisgeldern von ein paar tausend Euro darf das auch nicht erwartet werden – selbst kleinere Start-Ups können damit nur ein paar Wochen Arbeit bezahlen. Den Charakter als Alibi-Veranstaltung wird auch dadurch unterstrichen, dass weder Bund noch Sponsoren größere Beträge locker machen – vor allem, wenn man bedenkt, welche Summen sonst für solche Polit-Wettbewerbe und Förder-Runden zur Verfügung steht. Eine ernsthafte Open Government-Strategie geht anders.

Was nötig ist: ein Förderprogramm

Tom Steinberg, Kopf der britischen Non-profit-Firma mySociety, die mit Anwendungen wie FixMyStreet weltweit Nachahmer fand, hat einmal versucht, die Frage „How to create sustainable open data projects with purpose“ zu beantworten. Die Anwendungen seiner Organisation, so Steinberg, sind eben nicht in Wettbewerben entstanden, sondern entwickelten sich über einen langen Zeitraum hinweg. Brillante Ideen seien zudem sehr selten und stoßen im Netz auf ein hohes Maß an Konkurrenz. Steinbergs wenig überraschender Tipp: Nicht gleich zu programmieren anfangen, sondern erst ein Mal ausreichende finanzielle Mittel finden.

Deutschland braucht keine Apps4-Wettbewerbe, sondern ein Programm zur langfristigen Förderung einer Open-Data-Infrastruktur. Und nein, die Veranstaltung unter dem Schirm des Innenministers ist nicht der erste Schritt in diese Richtung, sondern eine Beitrag zur Verschwendung von Zeit und Ressourcen. Ein Weg, der vielerorts schon ohne Erfolg beschritten worden ist, den muss man nicht auch noch einschlagen. Dem Aufbau einer demokratischen und transparenten Dateninfrastruktur kommt man mit der punktuellen Förderung von ein bisschen Spielzeug kaum näher.

Lorenz Matzat ist Journalist und Softwareentwickler in Berlin. Er bloggt auf freitag.de

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