Die Schnecke steht still

UN-Konferenz Die bisherige Klimadiplomatie ist gescheitert, denn die in Durban diskutierten Antworten sind ungenügend. Jetzt müssen sich die Willigen verbünden

Es ist Zeit, sich einzugestehen, dass die UN-Klimadiplomatie gescheitert ist. Die Schnecke ist zum Stillstand gekommen. Bei der Konferenz in Durban werden am Ende vermutlich wieder einige Beschlüsse stehen, die die Teilnehmer beklatschen werden – so wie in Cancun vor einem Jahr. Möglicherweise gibt es sogar eine erneute Absichts­erklärung, doch noch einen Anlauf für ein Klimaabkommen zu unternehmen – so wie schon 2007 auf Bali. Doch Tempo und Fortschritt in diesem Prozess werden nicht ansatzweise der Aufgabe gerecht, die globale Erwärmung in absehbarer Zeit zu bremsen oder ihre katastrophalen Folgen abzuwenden.

Die Schurken sind schnell benannt. Die weltweit größten Verursacher von Klimagasen, China und die USA, blockieren ein umfassendes Abkommen, und Europa ist zu schwach, den Stillstand zu brechen. In den USA wird nach wie vor eine ernst gemeinte Debatte darüber geführt, ob es den Klimawandel gibt, ob menschliches Handeln etwas damit zu tun hat und wenn ja, ob es dann nicht gottgewollt ist, dass es auf der Erde einfach etwas kuscheliger wird. In diesem Umfeld ist Präsident Obama an der Aufgabe gescheitert, die historisch und aktuell gigantischen Emissionen seines Landes ernsthaft anzugehen.

China, das 2009 bei der Klimakonferenz von Kopenhagen mit den USA eine Nichteinigung auskungelte, ist seinerseits nicht gewillt, sich einem internationalen Vertragswerk mit Pflichten und Kontrollen zu unterwerfen. Das gibt Russland, Japan und Kanada den Vorwand zum Ausstieg aus ihren Verpflichtungen. Letztlich scheitert der Kampf gegen die globale Erwärmung, die in den ärmsten Regionen der Welt bereits wahlweise die Pegel oder die Hitze steigen lässt, an der Furcht der größten Wirtschaftsmächte vor Wohlstandsverlusten.

Abgedriftet in eine Parallelwelt

Jenseits dieser einfachen Analyse muss man sich aber auch grundsätzlich fragen, wie viel Sinn darin steckt, einmal jährlich 15.000 oder 20.000 Klima-Nerds für zwei Wochen in eines der großen Kongresszentren der Welt zu sperren, wo sie in einem undurchdringlichen Begriffsdschungel Problemlösung simulieren. Vereinfachung und Volkstümlichkeit ist in einem hochkomplizierten Verhandlungsprozess sicher zu viel verlangt. Doch ist der Klimazirkus um die AWGKP und AWGLCA bei ihren COP und CMP längst in eine Parallelwelt abgedriftet, wo unter der Wirkung von Schlafentzug in den letzten Konferenznächten die Neuformulierung von Nebensätzen und Fußnoten als Erfolg gefeiert wird.

An dieser Stelle kommt stets der Einwand: Es gibt keine Alternative zum UN-Prozess. Kanzlerin Merkel hat 2009 darauf hingewiesen, als sie am Kopen­hagener Flughafen erschüttert Bilanz zog nach der gescheiterten Konferenz. Und Umweltminister Röttgen, der selbst mit großer Skepsis nach Durban blickt, sagt es jetzt wieder. Was also ist die Alternative? Was kommt nach der Verzagtheit? Der frühere UN-Klimachef de Boer setzt auf eine stärkere Einbindung der Wirtschaft, die den Umbau der Energieversorgung und nachhaltige Entwicklung längst als Geschäftsfeld erkannt habe. Dazu gibt es die Möglichkeit bilateraler Verträge und multilateraler Bündnisse – ein Klimaschutz der Willigen, bei dem eine erfolgreiche deutsche Energiewende Vorbild sein könnte.

Aber letzten Endes bleibt nach dem Scheitern des Top-Down-Modells nur die Hoffnung eines Klimaschutzes von unten. Auch wenn es ermüdet: die tägliche Entscheidung für einen weniger verschwenderischen Konsum – unter dem Strich geht es immer nur darum.

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Geschrieben von

Verena Schmitt-Roschmann

Verena Schmitt-Roschmann ist Ressortleiterin Politik des Freitag.

Verena Schmitt-Roschmann

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