Entwarnung? Wenn Köln überall ist, wie sollen dann die Rechtspopulisten und Rechtsradikalen auch nur irgendwo in Deutschland Fuß fassen: Der "Anti-Islamisierungskongress" geriet für die rechtspopulistische "Bürgerbewegung Pro Köln" am letzten Wochenende zum Desaster. Der Widerstand dagegen war im Wortsinne überwältigend. Das war die gute Nachricht. Und die schlechte: Seit 2004 sitzt eben diese rechtspopulistische Vereinigung mit ihren vergleichsweise bürgerlich-seriösen Spitzenleuten im Kölner Stadtrat; sie erreichte bei den Kommunalwahlen knapp fünf Prozent der Stimmen.
Die gute Nachricht: Weil er der Sache wohl von vornherein nicht traute - offiziell hieß es: Wahlkampfverpflichtungen -, war Hans-Christian Strache, Führ
Führer der österreichischen FPÖ, gleich gar nicht zu dem Kongress gekommen. Die schlechte Nachricht: Seine Freiheitliche Partei Österreichs mit ihrem klar ausländerfeindlichen Programm liegt bei aktuellen Umfragen - in Österreich wird an diesem Wochenende gewählt - knapp unter 20 Prozent; Jörg Haider mit seinem "Bündnis Zukunft Österreich" bei etwa acht Prozent. Krachende Abfuhr für Kochs WahlkampfDie gute Nachricht: Anfang dieses Jahres war Landtagswahl in Hessen und der damalige - heute geschäftsführende - Ministerpräsident Roland Koch, CDU, führte in der Schlussphase einen auffallend brutalen Wahlkampf zu dem Thema Kriminalität von jugendlichen Ausländern. Dafür erhielt er eine krachende Abfuhr; sogar das bürgerliche Lager schüttelte darüber indigniert das Haupt, so was will man nicht in Zeiten der Globalisierung. Nicht einmal die rechten Parteien profitierten von diesem Thema. Früher hieß es: Von solchen Wahlkampf-Themen profitiert das Original. Diese Regel scheint abgeschafft. Die schlechte Nachricht: Wo bleiben eigentlich die sehr konservativen und die rechtsextrem und ausländerfeindlich gesinnten Wähler? Es gibt sie doch. Da passt einiges nicht zusammen. Unbestritten hat sich vor allem die CDU in allen gesellschaftspolitischen Fragen - Integration, Familienpolitik, Umgang mit sexuellen Minderheiten und fremden Religionen, Anerkennung unterschiedlicher Lebensstile - beträchtlich modernisiert; das ist kein Urteil über ihre praktische Politik, aber eine Beschreibung dessen, was sie öffentlich vertritt. Es gibt keinen führenden Politiker der Union mehr, der die Fahne des christlichen Glaubens, der Stärkung von Autorität, des herkömmlichen Familienbildes, der Skepsis gegenüber dem Einwanderungsland Deutschland, gegenüber dem Islam glaubhaft und anhaltend hoch hält. Das ist nicht Wolfgang Schäuble, das war früher Jörg Schönbohm, CDU Brandenburg, und zuletzt der Hesse Roland Koch vor seinem Scheitern; aber auch damals bereits zu Unrecht, sieht er sich doch viel eher als der weltoffene Wirtschaftsmanager des Landes Hessen. Die CSU wiederum hat sich diesem Modernisierungskurs in Teilen angeschlossen und bangt bei der Landtagswahl an diesem Wochenende um ihre absolute Mehrheit. Sollte sie diese noch einmal nehmen, sie wird trotzdem mit diesem Führungspersonal - und dem nächsten auch - die frühere Rolle als bundesweit wirkender Rechtsausleger, der wie ein Staubsauger den rechtsradikalen Parteien die Stimmenbasis wegnimmt, nie mehr spielen. Bisher gelingt es noch der Linkspartei, einen Teil der so genannten Globalisierungsverlierer - Arbeitslose, soziale Unterschichten mit geringer Bildung - zu binden; anderswo wählt diese Gruppe mit hohen Anteilen rechtsradikal. Ein Vorgang, den die anderen Parteien immer denunzieren, anstelle diese Leistung als Beitrag zu würdigen, der letztlich der Demokratie sehr bekömmlich ist. Untersuchungen belegen: Es gibt Millionen potenzielle Wähler, die auf der Suche nach ihrer rechtsradikalen Heimat sind. Ausländerfeindliche und rechtsradikale bis rechtsextreme Einstellungen sind nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in wohlhabenden westdeutschen Regionen sehr wohl präsent. Die Politikwissenschaftler Richard Stöss und Oskar Niedermayer gehen davon aus, dass in Bayern etwa 15 Prozent der Bevölkerung rechtsextreme Einstellungen pflegen. Politische Kultur lässt Rechtsextreme gewährenEine Regionalstudie, erstellt von einer Forschergruppe um den Tübinger Erziehungswissenschaftler Josef Held, belegt übrigens - erhoben im wirtschaftlich wohlhabenden Rems-Murr-Kreis (Baden-Württemberg) und veröffentlicht im Sommer 2007 -, dass es keinen direkten Zusammenhang gibt zwischen sozialer Frage und Rechtsextremismus. Die vermutete Regel, wem es ökonomisch schlecht geht, der sei besonders empfänglich für rechtsextreme Einstellungen und umgekehrt, hält dem Alltag offensichtlich nicht Stand. In dieser ausgewählten Region sei die politische Kultur von "einer rechtsgerichteten Stimmung geprägt", fanden die Forscher heraus. Fremdenfeindlichkeit ("die Einstiegsdroge in den Rechtsradikalismus") und autoritäre Denkweisen seien weit verbreitet. Auf viele Jugendliche übe der Rechtsextremismus eine "starke Faszination" aus, rechtsradikale Denkweisen gewönnen "eine Art unbemerkte Selbstverständlichkeit". Die Kernaussage der Forscher: Nicht die Existenz der Rechtsextremen sei das Problem, sondern eine politische Kultur, die sie gewähren lasse. Eine gefährliche Diskrepanz tut sich auf: Ausländerfeindliches Gedankengut breitet sich weiter aus, die Netzwerke der Rechtsextremen werden an manchen Orten noch kräftiger. Und der Kampf gegen Rechts ist trotzdem kein prominentes Thema. Denn das prominenteste aller Warnsysteme, auf das alle Apparate, die der Medien und die der Politik, sofort reagieren, schlägt (noch) nicht aus. Mit anderen Worten: Die Rechtsradikalen und ihr Gedankengut spielen zwar vielerorts im Alltag eine wesentliche Rolle, ihre Wahlerfolge bleiben jedoch aus. Wann kommt die sechste Partei? Politikwissenschaftler vertreten die These, dass es eine solche sechste Partei auch in Deutschland dann schnell geben kann, wenn das rechte Lager in der Lage ist, seine Eliten-Frage zu lösen: also wenigstens halbwegs anerkannte, bürgerlich-seriöse Repräsentanten zu haben. Alles andere ist bereits angerichtet.