Dem heutigen Sonderbeauftragten der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit wird nachgesagt, daß er vor Jahren als altgedienter Juso den Frankfurter grünen Spontis und damit seinem heutigen Dienstherrn im Auswärtigen Amt den guten Ratschlag gab, sich mit der NATO zu versöhnen, denn anders sei ein rot-grünes Regierungsbündnis auf Bundesebene nicht zu haben. Diese Voigt 'sche Empfehlung zeugte von Realitätsnähe, denn selbstverständlich war in Bonn und ist nun in Berlin die Teilhabe an der Regierung von dem Bekenntnis zur NATO (und ebenso zur EU) abhängig. Damit ist aber noch nichts über die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Optionen dieser »westlichen« Bündnisse gesagt, nichts ü
erbeauftragten der Bundesregierung für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit wird nachgesagt, daß er vor Jahren als altgedienter Juso den Frankfurter grünen Spontis und damit seinem heutigen Dienstherrn im Auswärtigen Amt den guten Ratschlag gab, sich mit der NATO zu versöhnen, denn anders sei ein rot-grünes Regierungsbündnis auf Bundesebene nicht zu haben. Diese Voigt 'sche Empfehlung zeugte von Realitätsnähe, denn selbstverständlich war in Bonn und ist nun in Berlin die Teilhabe an der Regierung von dem Bekenntnis zur NATO (und ebenso zur EU) abhängig. Damit ist aber noch nichts über die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Optionen dieser »westlichen« Bündnisse gesagt, nichts XX-replace-me-XXX252;ber deren Entwicklung und Veränderung, nichts über die (sich wandelnde) Entscheidungsstruktur innerhalb der Bündnisse - und nichts über die Rolle, die dabei die Bundesrepublik spielt.Karsten D. Voigt stellt dem lesenden Publikum einen Popanz hin, nämlich den einer »Trennung von den Bündnispartnern« und suggeriert, daß man über die (problematischen) Inhalte der NATO-Politik und auch einer künftigen EU-Außen- beziehungsweise Militärpolitik gar nicht mehr nachzudenken brauche, wenn man sich erst einmal für die »Bündnistreue« entschieden habe.Karsten D. Voigt läßt es so erscheinen, als sei bereits das kritische Nachdenken über Alternativen zu der vom »Bündnis« gegenwärtig betriebenen Politik ein »Treuebruch«, eine Wiederhinwendung zum »deutschen Sonderweg«. Um diesem Schreckbild eindrucksvolle Farben zu geben, greift er zu historischen Fiktionen: Die Nationalität der deutschen Außen- und »Sicherheitspolitik« an sich sei es gewesen, die in der Moderne Deutschland aus dem europäischen Gleichgewicht habe herausfallen lassen, die dazu geführt habe, daß Deutschland von seinen Nachbarn »als Störenfried empfunden«(!) worden sei und auch dazu, daß »eine Koalition europäischer Nachbarn uns feindlich gegenüberstand und versuchte, die deutsche Macht von außen her einzuhegen.«Deutschland, so muß man demnach annehmen, wird durch das »Bündnis« nun endlich vor seinen Nachbarn und auch ein bißchen vor sich selbst gerettet, und jeder Gedanke an eine »Sonderrolle« beschwört das alte »Verhängnis« neu herauf.Auch im Blick auf die Geschichte kommen also, verläßt man sich auf Karsten D. Voigt, die Inhalte der Politik nicht zum Vorschein. Von einem »instabilen Gleichgewicht« ist die Rede - aber nicht von Machtinteressen und Expansionswünschen. Der »deutsche Sonderweg« bestand - folgt man der Voigt'schen Argumentation - darin, daß »antiwestliche Ressentiments« Deutschland nicht rechtzeitig erkennen ließen, wie es mit seiner räumlichen Größe europaverträglich umgehen kann, nämlich »multilateral-integrativ«.An die Versuche deutscher politisch-militärischer und wirtschaftlicher Eliten, sich Europa zu unterwerfen, »Landnahme« im Osten zu betreiben, den »Weg nach Bagdad« unter Kontrolle zu bringen und so Weltgeltung zu erlangen, erinnert sich Karsten D. Voigt offenbar nicht mehr, obwohl er doch in jüngeren Jahren so manches darüber erfahren hat. Gewiß - solche Sichtweisen könnten störend wirken; wenn es »robuste« Machtstrategien waren, die in der Moderne Geschichte machten, dann legt sich die unangenehme Frage nahe, ob es denn in der Postmoderne nun nur noch um die »Wertegemeinschaft« geht.Kann es sein, daß der »Realpolitiker« Voigt, im Hause des »Realpolitikers« Fischer wirkend, von der realen Politik nicht reden möchte, jedenfalls nicht öffentlich? Und was bedeutet es realpolitisch, wenn Karsten D. Voigt fordert, die deutsche Außenpolitik müsse jetzt, nachdem im Westen alles »gebunden« ist, »die östlichen Nachbarn ... möglichst eng an uns binden«? (Mit multilateralen Mitteln, versteht sich, und »ohne Bedrohung für deren Identität« ...) So kann es in einem »Bündnis« gehen: Alle sind identisch, aber einige sind identischer, und die Bundesrepublik Deutschland, nachdem sie den »Sonderweg« verlassen hat, ist ganz besonders identisch, was eben auch heißt: Sie kann andere an sich »binden«. Schwierig wird es, wenn es Konkurrenten um solche »Bindungen« gibt, oder wenn jemand sich nicht »binden« lassen möchte.In den neuen Aufgabenbestimmungen der NATO ist an solche Fälle durchaus gedacht, und vielleicht stellt sich auch die zukünftige gemeinsame Militärpolitik der EU auf derartige Probleme ein. Darüber möchte Karsten D. Voigt aber nicht sprechen. Er warnt uns lieber vor einem »neuen deutschen Sonderweg«, einer »Renationalisierung deutscher Außen- und Sicherheitspolitik« - durch wen? Durch die PDS. Die stütze sich, so Voigt, auf »antiwestliche« und »antiamerikanische Ressentiments«, wenn sie etwa den NATO-Krieg gegen Jugoslawien kritisiert, und dahinter steht die immer noch wirksame kommunistische Sozialisation...Demgegenüber liegt der Gedanke nahe, daß die in Ostdeutschland weitverbreitete (und auch in der PDS sich äußernde) Unwilligkeit gegenüber dem Vorgehen der NATO etwas mit den Erfahrungen im »Realsozialismus« zu tun haben kann, nämlich der Einsicht, daß hinter hochtrabenden »Werte«-Verkündigungen vielfach recht profane Machtinteressen stecken. Das zieht Karsten D. Voigt aber nicht in Erwägung, wenn es um die PDS geht. Er braucht den »irrationalen« Gegner, damit seine eigene Legitimation der NATO-Politik den Anschein der Rationalität bekommt.Politische Fiktionen sind fürs Publikum gedacht, das nicht ins realitätsnahe Zweifeln kommen darf; die realistische Rede über Politik führen die Machthaber unter sich. Persönlich kann man Karsten D. Voigt nur wünschen, daß er an diesem Insiderdiskurs gelegentlich partizipieren darf. Die Deutungen, die er der Freitag-Leserschaft anbietet, sind doch auf Dauer nicht recht genießbar.Bisherige Beiträge in der Reihe "Deutscher Sonderderweg": Ausgabe 31: Bündnistreue als letztes ArgumentAusgabe 30: Bündnistreue als Staatsräson
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