1989: Der Aderlass

Zeitgeschichte Etwa 100 DDR-Bürger besetzen die bundesdeutsche Vertretung in Ostberlin. Sie wollen ihre Ausreise erzwingen und finden Nachahmer in Budapest, Prag und Warschau
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 33/2014

Noch im Sommer 1989 schien die DDR – verglichen mit Polen, Ungarn und selbst mit der Sowjetunion – politisch stabil. Prinzipiell auf ihren Positionen beharrend, zeigte die SED-Führung durchaus Flexibilität im Detail. Eine seit Januar 1989 gültige Reiseverordnung stellte etwa die Beantragung der „ständigen Ausreise von DDR-Bürgern“ ins westliche Ausland erstmals auf eine rechtliche Basis. Zuvor abgelehnte Anträge konnten nunmehr zur Überprüfung nochmals eingereicht werden. Im ersten Halbjahr 1989 wurden daraufhin an die zuständigen Behörden gut 125.000 solcher Anträge gestellt.

Alles schien geregelt, da warteten westliche Medien mit einer Meldung auf, die aufhorchen ließ. Mehr als 100 DDR-Bürger hät