Es gibt Figuren im Fernsehen, die über die Jahre zu vertrauten Weggefährten werden. Kaum merklich nisten sie sich ein im Leben der Zuschauer, locken uns zu festen Zeiten vor den Schirm, Vorfreude inbegriffen. Sie altern mit uns, aber anders. Während das Leben der Zuschauer sich verändert, bleibt die Figur immer sie selbst. Gegen die Moden des Zeitgeistes behauptet sie unerschütterlich ihre Identität. Der Privatdetektiv Josef Matula, gespielt von Claus Theo Gärtner, zählt zu dieser in der beschleunigten Quotenjagd langsam aussterbenden Spezies.
Was hat der Mann, dass er mit Ein Fall für zwei bereits 200 Folgen überlebt hat? Er ist ein kleinwüchsiger Macho, der in den ersten Folgen Anfang der achtziger Jahre mit schwarzer Lederjacke und m
Lederjacke und markigen Sprüchen als ewiger Halbstarker eingeführt wurde. Eine komische, bisweilen peinliche Figur, die von Zeugen und Verdächtigen oft nicht für voll genommen wird. Doch das rächt sich meist, denn der Mann ist hartnäckig. Er weiß, dass einem wie ihm Erfolge nicht in den Schoß fallen. Matula arbeitet als Privatdetektiv wie ein Malocher. Nicht lange nachdenken, schnell handeln, hart zupacken. Ihm fehlt die Geduld eines Inspektor Columbo, um Täter akribisch Schritt für Schritt zu überführen. Lieber stürzt er sich kopfüber in einen Fall, ohne Netz und doppelten Boden. Das geht nicht ohne Blessuren ab. Doch Matula ist ein Stehaufmännchen. Er bleibt am Ball. Jedes Honorar ist hart verdient.Wenn nötig, verlässt der Mann bei seinen Ermittlungen den sicheren Boden der Legalität. Matula hat nicht wie seine Serienkollegen Kommissare das Gesetz im Rücken und die sichere Pension vor Augen. Er hat keine Zeit für einfühlende Verhöre oder langwierige Ermittlungen. Zeit ist bei ihm Geld und seine Mandanten wollen schnelle Ergebnisse sehen. Der Mann hat kein tristes Büro, sein Revier ist die Straße. Matula fällt aus dem Rahmen des üblichen Serienschemas.Vielleicht hat er sich so die Sympathien der Zuschauer erschlichen. Als Schnüffler, der die Unabhängigkeit der verbeamteten Sicherheit vorzieht. Der immer gerade genug Geld hat, damit ihm die Schulden nicht über den Kopf wachsen. Der sein Wohnzimmer mit einem Billardtisch einrichtet. Der ein ewiger Single bleiben wird. Eine anarchische Figur, ein oft unterschätzter Außenseiter. Was zählen da noch seine halbstarken Machoallüren? Der Mann kann eben nicht anders. Und würde auch befremdlich wirken mit langer Mähne und Anarchostern am ungebügelten Hemd.Für das deutsche Fernsehen war Matula als Solo-Detektiv dennoch nicht tragbar. Zwar erinnert die Figur nur noch von fern an ihre literarischen Vorbilder Sam Spade und Philip Marlowe, deren filmischen Wiedergängern Humphrey Bogart ein Gesicht und einen Gestus gegeben hatte. Randexistenzen und Grenzgänger ins Reich der Illegalität, die einer korrupten Gesellschaft den Spiegel vorhielten. Was Matula vor allem mit Spade und Marlowe verbindet, ist eine nur noch am eigenen Handeln erprobte zutiefst private Moralität.Die wird in Ein Fall für zwei durch einen fest auf dem Boden des Gesetzes und im gesellschaftlichen Leben stehenden Partner an die lange Leine genommen. Ein Anwalt, dessen Prototyp Günter Strack entwickelte, findet mit seinen Beziehungen und seinem Wissen immer einen Ausweg, wenn Matula sehenden Auges ins Unheil stolpert. Er verschafft ihm seine Aufträge, lindert seine chronische Geldnot und gewährt ihm Asyl in bürgerlichem Ambiente. Der Anwalt sorgt dafür, dass Matula nicht abstürzt ins Gefängnis oder das gesellschaftliche Nichts. Er ist die Vaterfigur, die gutmütig das Treiben des halbstarken Sohnes in letztlich sichere Bahnen lenkt. Auch wenn die Partner an Matulas Seite mit jedem Wechsel der Darsteller jünger werden. Sie alle sind spießige Langweiler und talentierte Geldvermehrer. Sie stehen auf der Sonnenseite der Gesellschaft.Doch weil auch die saturierten Anwälte eine andere Seite ihrer selbst entdecken, wenn sie mit diesem eigenwilligen Schnüffler verkehren, gewinnt die Beziehung an dramaturgischer Dynamik. Matula zieht sie aus den abgehobenen Sphären des Rechts mitten hinein in die Untiefen der Realität. Da hilft ihnen ihr Status nur noch wenig. Legalität und Legitimität, im hellen, freundlichen Anwaltsbüro noch ein untrennbares Paar, wollen draußen im Durcheinander des Lebens nicht mehr recht zusammenpassen. So bleibt noch ein Moment von Anarchie und der Anwalt ein Mensch mit kleineren Untiefen. Schnüffler und Jurist - aus dieser Konstellation zweier zutiefst verschiedener Charaktere gewinnt Ein Fall für zwei seine Dynamik und seine Komik. Allein die Kommissare Schimanski und Tanner bildeten einst im Tatort ein ähnlich heterogenes Paar.Beide Serien sind zeitlos erfolgreich, weil sie Figuren inszenieren, die den Wechselbädern der Realität ausgesetzt sind. Matula und Schimanski machen Fehler, kommen mit ihrem Leben nicht klar, wollen mit dem Kopf durch die Wand. Sie sind Grenzgänger, die aus dem Rahmen eines Genres fallen, das ansonsten gern Helden des Gesetzes präsentiert. Männer und immer mehr Frauen, die mal mit viel Action, mal mit viel Einfühlung, aber immer auf der sicheren Seite, Bösewichten das Handwerk legen.Einer wie Matula, der selbst in Trenchcoat und Jackett noch unseriös wirkt, würde heute wahrscheinlich keine Hauptrolle mehr in einem Krimi erhalten. Vielleicht noch eine kleine als windiger Ganove. Er entstammt einer vergangenen Fernsehzeit. Der einzige Privatdetektiv unter lauter Kommissaren - ein Sonderling. Doch da ihn die Zuschauer mögen, darf Matula weiter dem Zeitgeist trotzen. Es ist ein Glück, denn der Mann hat noch immer jede Menge Probleme und schlägt sich noch immer wie ein Halbstarker. Er könnte längst der Vater seines inzwischen vierten Partners sein, doch Altersweisheit wird ihm ein Fremdwort bleiben. Und in Rente gehen - niemals. Eher soll ihn ein Messerstich im Handgemenge dahinraffen. Ein verdienter Abgang wär´s nach all der unterhaltsamen Maloche.Ein Fall für zwei, am Freitag, 10. Januar 2003 um 20.15 Uhr im ZDF