Bis dato galt: Komme, was da wolle, China wächst und wächst. Regulierte Finanzmärkte, ein 1,4 Billionen Dollar Polster an Devisenreserven, wachsende Handelsverflechtungen mit den asiatischen Boomregionen und die schiere Größe des Binnenmarktes schienen Peking gegen globale Krisen zu immunisieren. Vier Jahre hintereinander verbuchte die Volksrepublik zuletzt zweistellige Wachstumsraten. Nun aber kommen Zweifel auf: Lässt sich trotz schlechter Zahlen aus Washington die Rolle eines Katalysators der Weltwirtschaft weiter ausfüllen? Ist eine rigide Finanzpolitik - am nachdrücklichsten durch einen nicht frei konvertierbaren China-Renminbi zum Ausdruck gebracht - das Verhängnis?
Ministerpräsident Wen Jiabao warnte Ende Januar im Staatsrat, es werde
, es werde ein "äußerst schwieriges Jahr" für die Ökonomie der Volksrepublik. Auch die Weltbank sorgt nicht für Entwarnung. In ihrem letzten Quartalsbericht zu China Anfang des Monats korrigierte sie die Wachstumsprognose für 2008 von zuletzt 10,8 auf 9,6 Prozent. "Sollte die Binnennachfrage robust bleiben", sagte David Dollar, China-Länderchef der Weltbank, "könnte ein leichter globaler Abschwung zur Ausbalancierung der chinesischen Wirtschaft beitragen."Von "Ausbalancierung" spricht auch Martin Miller, Chef der Commerzbank in Peking, und rechnet mit möglichen Einbrüchen chinesischer Exporte in die USA. "Chinas Regierung hat - bislang nicht sehr erfolgreich - auf administrativem Wege versucht, die eigenen Ausfuhren zu drosseln", resümiert Miller. "Insofern wäre ein Rückgang des Warentransfers in die USA Rückenwind für derartige Maßnahmen." Sie zielen unter dem Damoklesschwert drohender Überhitzung auf ein mehr nachfrageorientiertes Wachstum. Da aber der Binnenmarkt noch nicht hält, was er verspricht, sieht Tang Min, Ökonom an der China Development Research Foundation, einen nachgebenden Export eher als Gefahr. "Wenn das Bruttoinlandsprodukt in den USA um 0,01 Prozent sinkt, dann gehen die chinesischen Ausfuhren um 0,06 Prozent zurück." Preisverfall, Unternehmenspleiten und eine mögliche Deflation seien die Folge.Ganz andere Schlüsse zieht Mei Xinyu, Wirtschaftswissenschaftler an der Chinese Academy of International Trade and Economic Cooperation. "Sicher, durch einen Abschwung in Amerika werden dort zwar die Importquoten fallen", meint Mei, "aber die Nachfrage nach günstigen Produkten steigt." Und die Volksrepublik liefere vorrangig billige Gebrauchsgüter für den US-Markt.Unumstritten ist, dass Chinas Banken kaum in den Sog der US-Finanzkrise geraten können. Im Vergleich mit den Rivalen in Westeuropa und Japan ist ihr Engagement auf dem US-Markt für Hypothekenkredite eher gering. Der Branchenprimus - die Bank of China - hat dort gerade einmal drei Prozent seiner Wertpapieranlagen, das sind etwa acht Milliarden Dollar, investiert. Samuel Chen, Analyst von JP Morgan, spricht von schwarzen Zahlen, die das Institut 2007 vorweisen konnte - in den ersten drei Quartalen gab es ein Plus von sechs Milliarden Dollar. Allein das IV. Quartal 2007 dürfte bei einer Abschreibung von über einer Milliarde negativ ausfallen.Gleitet die US-Wirtschaft weiter in eine Rezession, muss sich die Volksrepublik vor allem währungspolitisch rühren. Ein abgewerteter Dollar entwertet auch die akkumulierten ausländischen Dollar-Reserven Chinas. Die hat Peking größtenteils in einst hochverzinsten US-Schuldscheinen angelegt. Die soeben gegründete China Investment Corporation scheint insofern ein Indiz dafür, dass die angehäuften Währungsreserven mehr als bisher in Investitionen fließen sollen, statt im Wert zu schrumpfen.Unabhängig davon erhöht der drastisch gesenkte Leitzins der US-Zentralbank den Aufwertungsdruck enorm, der auf dem chinesischen Renminbi lastet (bisher ist die Währung innerhalb einer bestimmten Bandbreite an den Dollar gebunden). Peking favorisiert eine kontrollierte Aufwertung, um die eigene Exportindustrie nicht über Gebühr zu gefährden. Andererseits wäre ein stärkerer Renminbi ein effektives Mittel gegen die grassierende Inflation. Der Consumer Price Index (CPI) betrug 2007 4,8 Prozent und könnte bis Ende März auf 6,5 Prozent steigen. Ohnehin ist Peking durch die Zinsstürze in den USA ein erprobter Hebel aus der Hand genommen, um die eigene Inflation zu drücken: Der eigene Leitzins lässt sich kaum weiter erhöhen, denn die dann wachsende Differenz mit dem US-Index würde sehr viel spekulatives Kapital auf den chinesischen Finanzmarkt locken.Was also geschieht mit dem Wechselkurs, sollte der Dollar weiter fallen? Mit baldigen (politischen) Entscheidungen ist zu rechnen. Die Finanzkrise in den USA setzt weniger die chinesische Wirtschaft als vielmehr die Wirtschaftspolitik unter Druck.