Die Bresche

Lockerung Die Gedenktagsroutine braucht das Ereignis nicht mehr: 1968, im Werden begriffen
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Ganz ohne Jubiläumsdruck bezeichnet der französische Philosoph Gilles Deleuze Ende der 1980er Jahre in den einzigen offiziellen Filmaufnahmen seines stolpernd-strömenden Denkens (die zu seinen Lebenszeiten auch nicht gesendet werden durften) die Ereignisse von 1968 als ein Hereinbrechen des Werdens, genauer: des "Revolutionär-Werdens". Mit dieser Formulierung wendet sich Deleuze zunächst gleich gegen zwei gegensätzliche Aspekte der Interpretation von 1968. Er wendet sich gegen die Idee des großen revolutionären Bruchs, des leninistischen Einschnitts als historisch oder geografisch trennendes Element zwischen dem trüben Dasein in kapitalistischer Vergesellschaftung und dem paradiesischen Land des Sozialismus oder der revolutionären Zukunft.