Die Deutschen haben Angst. Mehrheitlich sprechen sie sich in einer jüngsten Emnid-Umfrage für stärkere Kontrollen aus. Um vor potenziellen - terroristischen - Gefahren geschützt zu werden, plädieren demnach 79 Prozent der 1001 Befragten für die gleichen Kontrollen auf Bahnhöfen wie auf Flughäfen. Für die Videoüberwachung auf Straßen und Plätzen erwärmten sich fast drei Viertel. Die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen reichten nur sechs Prozent der Befragten aus.
Repressive und grundrechtsbeschneidende Maßnahmen suggerieren Bürgern Schutz vor einer nicht greifbaren Bedrohung durch Terrorismus. Mit Rasterfahndung, Videoüberwachung und digitalem Personalausweis reagieren Sicherheitsfanatiker, quer durch alle Partei
lle Parteien, über Landesgrenzen hinweg. Die US-Regierung sammelt schon seit geraumer Zeit Informationen über Touristen und Geschäftsleute, beispielsweise zum Familienstand oder zu Kreditkartennummern. Vom 30. September dieses Jahres an sollen zusätzlich von jedem Gast, unabhängig von Nationalität und Aufenthaltsdauer, biometrische Daten erfasst werden. Auch von deutschen Touristen registrieren die Behörden dann Fingerabdrücke und ein digitalisiertes Lichtbild. Bisher galt das nur für Besucher, die länger als 90 Tage blieben und für Gäste aus Staaten, die weder als USA-freundlich noch als ungefährlich eingestuft waren.Mit den verschärften Einreisebestimmungen reagiert der US-Heimatschutzminister auf die verzögerte Erfassung biometrischer Daten in Pässen, die nach dem 11. September gefordert wurde. Offizieller Stichtag ist der 26. Oktober 2004, was die Bundesrepublik und die anderen betroffenen Länder wohl nicht schaffen werden. Die Maßnahme der USA erhöht den Druck auf die EU-Staaten, selbst wenn sie in Folge der Madrider Anschläge die Einführung der neuen Dokumente schon um ein Jahr auf 2006 vorgezogen haben. Ende 2004 wollen sich die EU-Innenminister auf einheitliche Merkmale einigen. Gedacht ist an die verschlüsselte Einfügung von digitalisiertem Lichtbild und Fingerabdrücken in Visa und Pässe. Schon seit dem Ende 2001 verabschiedeten "Terrorismusbekämpfungsgesetz" wird in Deutschland über die Erfassung zusätzlicher biometrischer Daten in Ausweisen diskutiert. Darunter fallen eben beispielsweise Fingerabdrücke, Augeniris oder Gesichtsform.Nachdem die Landgerichte Berlin und Wiesbaden bereits 2002 die von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) nach den Terror-Anschlägen vom 11. September praktizierte Rasterfahndung gegen ausländische Studenten für unzulässig erklärt hatten, plädiert der Innenminister nun wieder für einen verstärkten Einsatz in der Bundesrepublik und den europäischen Nachbarstaaten. In Deutschland habe man auf diese Weise eine Reihe von Anschlägen verhindern können, so Schily. Das Berliner Amt für Datenschutz sieht das anders. "Nach unserer Einschätzung war die Rasterfahndung überhaupt kein Erfolg", sagt die für Rechtsfragen zuständige Mitarbeiterin des Amtes Dagmar Hartge. Finanziell, zeitlich, technisch und von den benötigten Arbeitskräften her sei es lediglich ein riesiger Aufwand gewesen.Die Landgerichte hatten ihre Entscheidung zum einen damit begründet, dass von einer konkreten "Gegenwärtigkeit der Gefahr" nicht ausgegangen werden könne und dass durch das Verfahren zudem entscheidende Bürgerrechte ausgehebelt würden. In einer Pressemitteilung nennen Mitglieder des Republikanischen Anwaltvereins Schilys Ruf nach Rasterfahndung "untauglichen, schädlichen und symbolischen Gesetzgebungsaktionismus". Ein Ende März von Hansjürgen Garstka, dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, veröffentlichter Bericht über das Jahr 2003 zeigt weitere "Big Brother"-Methoden auf. Nach dem Fund einer Bombe auf dem Dresdner Hauptbahnhof forderte der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) sogleich eine flächendeckende Überwachung von Bahnhöfen und die Speicherung der Daten. Garstka sieht damit sowohl die informationelle Selbstbestimmung, als auch das Recht auf Freizügigkeit gefährdet. Die CDU bemüht sich um eine Bundesratsinitiative, um die DNA-Analyse rechtlich auf eine Stufe mit anderen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu stellen. Gleichzeitig wird versucht, den Katalog der "Anlasstaten" auszuweiten, die es ermöglichen, auch präventiv DNA-Analysen vorzunehmen. Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, warnte in einer Presseerklärung vor der Gleichsetzung von herkömmlichem und genetischem Fingerabdruck. Die durch die DNA-Analyse gewonnenen zusätzlichen Informationen, etwa zum Alter oder Krankenstand, seien mit dem Gebot der Verhältnismäßigkeit und dem Persönlichkeitsschutz nicht vereinbar. Diese Eingriffe in den Datenschutz paaren sich im Zuge des "Kampfes gegen den Terror", besonders nach dem Anschlag von Madrid, mit Maßnahmen zur Verschärfung der Inneren Sicherheit. Obwohl der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar versichert: "Die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder verfügen bereits jetzt über umfangreiche Befugnisse zur Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus". Manchen reicht derartige Potenz aber nicht. So erschien die vom CDUler Wolfgang Bosbach geforderte Idee des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren selbst Schily zu weit gegriffen, doch die vom Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) anvisierte Reform und Zentralisierung des Verfassungsschutzes scheiterte lediglich am Protest unionsgeführter Länder. Der neue Chef des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, kann sich auch eine weitere Rasterfahndung "sehr gut vorstellen". Auch die von Schily propagierte Blitz-Ausweisung von Ausländern auf Verdacht hin, fällt in diese Rubrik. Der Emnid-Umfrage zufolge freut dies die Bürger, sie fühlen sich sicher und geschützt. Mit ihren persönlichen Daten übergeben sie die Verantwortung so genannten Sicherheitsexperten. Ein Minus an Datenschutz bedeutet ein Plus an Schutz vor terroristischen Anschlägen - diese Rechnung geht nur leider nicht auf: Nach Ansicht des Bundesbeauftragten für Datenschutz gibt es keinen Sicherheitsgewinn durch biometrische Angaben in Ausweisen. "Der Terror bedroht den Rechtsstaat, wenn wir uns nicht vor übereilten Schlüssen hüten", gibt Schaar zu bedenken.