Darf es auch etwas mehr sein?", heißt es gern an der Wursttheke. Allzu oft müsste es im Supermarkt aber heißen: "Darf es auch etwas weniger sein - zum selben Preis?" Denn vielfach steckt in Verpackungen deutlich weniger Inhalt als angegeben.
Die letzte Füllmengenstatistik brachte es mal wieder an den Tag: Der Kunde zahlt den vollen Preis, bekommt aber nicht hundert Prozent der Ware. Unterfüllung nennt sich das. Jede zehnte Weinflasche war zuletzt zu beanstanden, 23,7 Prozent der untersuchten Tiefkühlprodukte, fast 20 Prozent aller Gewürze, selbst 8,4 Prozent aller Stichproben in der Rubrik Nichtlebensmittel. Gesamtquote der Beanstandungen: 8,7 Prozent. Das ermittelte der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen (LBME). Die Zahlen geben die Kon
en die Kontrollen in 2006 wieder, die von 2007 sind noch nicht ausgewertet. Noch schlechter sieht es in Baden-Württemberg aus. Rund zehn Prozent aller Stichproben werden regelmäßig wegen Unterfüllung beanstandet, berichtet das Regierungspräsidium Tübingen und stellt fest: "Die Möglichkeiten des Verbrauchers, Unterfüllungen festzustellen und sich dagegen zu wehren, sind gering."Kontrollen der Eichämter sollen Konsumenten davor schützen, übervorteilt zu werden. Unterfüllungen gibt es vor allem in "Fertigpackungen, bei denen der Füllungsgrad von außen nicht erkennbar ist", berichtet Ralf Tillekamp vom LBME. Das kann die Packung Tiefkühlfisch, eine Dose Tomaten oder die Tafel Schokolade sein. Zweiter Dauertatort: Wurst- und Käsetheken. Dort wird die Verpackung oft mitgewogen - entgegen der Vorschrift. Die Plastikschachtel für den Krabbensalat schlägt dann schnell mit zehn Cent und mehr zu Buche.Füllmengennepp erregt die Gemüter, wenn Eichämter ihre Prüfzahlen vorlegen. Die gute Nachricht: Die Quote der Beanstandungen ist gesunken, in NRW von 13,3 Prozent der Stichproben in 2005 auf 8,7 Prozent in 2006. 8.272 Überprüfungen in 1.667 Betrieben gab es. Die schlechte Nachricht, so die NRW-Eichdirektion: Die Tendenz, "durch Unterfüllung den Verbraucher zu schädigen, ist trotz des enormen technischen Fortschritts der Abfülleinrichtungen leider immer noch ungebrochen". Und das, obwohl es "hervorragende Abfüllanlagen zu einem günstigen Preis" gebe. Daher "wäre eine Beanstandungsquote von deutlich unter einem Prozent zu erwarten", so die Kölner Eichexperten. "Geringfügige Unterschreitungen des Mittelwertes von wenigen 1/10 Gramm können zu beträchtlichen Warenwerten in Millionenhöhe führen, die der Gemeinschaft der Verbraucher vorenthalten werden."Mogelfirmen drohen Sanktionen: erst Verwarngelder, dann Bußgelder bis 10.000 Euro. In der Praxis verbreitet das wenig Furcht. "Die Sanktionsmöglichkeiten sind meines Erachtens nicht ausreichend", so Ralf Tillekamp. Kleine Lebensmittelläden oder Marktstände, die das Einwickelpapier mitwiegen, müssen mit Verwarngeldern bis 35 Euro rechnen, im Wiederholungsfall mit Bußen von 100 bis 150 Euro. 2006 verhängten die NRW-Eichbeamten knapp 99.000 Euro an Sanktionen.Kritik übt auch der Verbraucherzentrale Bundesverband: Für eine saubere Abfüllpraxis fehle jeder Anreiz, mit dem geringen Kontrollumfang und den geltenden Bußgeldhöhen sei kein Abschreckungseffekt verbunden. Aber nicht jede Beanstandung geht auf Nepp zurück. Obst, Gemüse, Kartoffeln und Brot verändern ihr Gewicht. Je älter und trockener, desto leichter wird die Frischware. Manche Bedienung kennt sich mit Tara und Vorschriften nicht aus, auch Befüllmaschinen können Aussetzer haben.Für die Einhaltung der Füllmengen sind Hersteller und Handel verantwortlich. Bei Fertigpackungen vom Joghurtbecher bis zur Nudelpackung sind allein die Hersteller haftbar zu machen, bei offenen Packungen wie Erdbeerschalen Hersteller und Handel.Wie viel die Dosensuppe oder ein Kartoffelsack im Gewicht von der Nennfüllmenge höchstens abweichen dürfen, regelt das Eichrecht. Beispiel: eine Kilopackung Mehl. Der Mittelwert aller Packungen einer Stichprobe darf 1.000 Gramm nicht unterschreiten. Die erlaubte Minusabweichung darf bei 1.000 Gramm 15 Gramm, also 1,5 Prozent, betragen. Bei einer Schokoladentafel von 100 Gramm sind 4,5 Prozent erlaubt.All das ist laut Verpackungsverordnung von 1972 legal, solange die Hersteller die angegebene "Nennfüllmenge" im Schnitt einhalten - "Mittelwertprinzip" nennt sich das. Wiegt eine Tafel Schokolade nur 96 Gramm, muss eine andere rein rechnerisch 104 Gramm wiegen. Verbraucherschützer fordern die Einführung des Mindestprinzips anstelle des Mittelwertprinzips. Dann müsste jede Tafel mindestens 100 Gramm wiegen.Der Staat macht aber noch mehr Konzessionen: Bis zu zwei Prozent der Fertigpackungen dürfen noch weiter nach unten abweichen. Bei der Kilopackung Mehl ist ein Minus von 30 Gramm erlaubt - solange das nur in jeder fünfzigsten Packung vorkommt. Mehr Schwund als 30 Gramm darf kein Kilopack Mehl haben, sonst darf es nicht ins Regal.Beim Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. (BLL) sieht man den Verbraucher nicht im Nachteil. BLL-Geschäftsführer Michael Welsch nennt die Regeln "ausgesprochen verbraucher- und wirtschaftsfreundlich". Der BLL, ein Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft, hält auch die Gesetze für ausreichend. Dass es Mengenabweichungen gebe, sei den Produktionsabläufen geschuldet. "Man könnte punktgenau befüllen", sagt Welsch. Dazu müssten die Maschinen aber langsamer laufen. "Dann würden die Produkte wesentlich teurer." Das sei nicht durchsetzbar.Eichamtmann Tillekamp kritisiert: "Die heutigen Kontrollen reichen nicht aus." In NRW erreichte sein Eichbetrieb in 2006 bei den Fertigpackungsarten nur einen Überwachungsgrad von etwa zwölf Prozent, bei der Anzahl der Betriebe nur 38 Prozent.BLL-Geschäftsführer Welsch rät Kunden, sich an Behörden oder die Unternehmen zu wenden. "Wer seine Kunden nicht zufriedenstellend behandelt, verliert sie." Tillekamp empfiehlt, beim Discounter die Gewichtsangabe mit der Kundenwaage zu prüfen, an der Käsetheke zu schauen, ob die Tara-Funktion genutzt werde und sich im Zweifel an den Filialleiter oder das Eichamt zu wenden. Kunden können nicht verlangen, dass die Packungen bis zur Nennfüllmenge aufgefüllt werden. Unterschreitet die Ware die "absolute Toleranzgrenze", kann der Kunde die Ware aber zurückgeben.