Maciej Baranski (*) wollte nie etwas anderes werden als Journalist. Seine Zukunft hatte er sich immer als Zeitungsredakteur in der Heimatstadt Wroclaw vorgestellt, doch nun fragt er sich, ob das eine kluge Idee war, denn der Medienstandort Wroclaw ist ins Gerede gekommen.
Drei regionale Tageszeitungen gab es hier bisher, mit der Gazeta Wroclawska gehörte ein Blatt bereits der Polskapresse, dem polnischen Ableger des deutschen Medienkonzerns Verlagsgruppe Passau (Passauer Neue Presse). Die beiden anderen Blätter Slowo Polskie und Wieczor Wroclawia waren bisher Eigentum einer Tochter der norwegisch kontrollierten Orkla. Nun wollen die Passauer diese beiden Titel auch übernehmen, womit sie den regionalen Pressemarkt kontrollieren würden. Als Gegengewicht gäbe es dann n
en würden. Als Gegengewicht gäbe es dann nur noch die Lokalausgabe der überregionalen Gazeta Wyborcza, der auflagenstärksten Tageszeitung des Landes.Deshalb fragte nicht zuletzt der polnische Journalistenverband Stowarzyszenie Dziennikarzy Polskich (SDR) beim Amt für den Wettbewerbsschutz und der Verbraucher (UOKiK) nach, ob die Verlagsgruppe Passau gegen geltendes Wettbewerbsrecht verstoße, denn alle Firmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro müssen in Polen derartige Transaktionen den Wettbewerbshütern von der UOKiK melden. Genau das aber hat Polskapresse versäumt. Mit ihren zwölf Regionalzeitungen, drei TV-Magazinen und diversen Anzeigenblättern erreicht sie einen Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro.Maciej Baranski hofft, dass dieser Form von Pressekonzentration möglichst bald ein Riegel vorgeschoben wird. "Wir haben es als Gesellschaft vor einem guten Jahrzehnt versäumt, gesetzliche Schutzmechanismen einzubauen, die eine derartige Medienmacht schon im Ansatz verhindern." Die Passauer verlegten noch vor anderthalb Jahrzehnten nicht mehr als ein bayerisches Provinzblatt, jetzt sind sie ein europäischer Gigant. In Polen wurde 1994 mit dem Aufkauf von Regionalzeitungen der französischen Hersant-Gruppe begonnen und heute - nicht einmal zehn Jahre später - beherrscht die deutsche Verlagsgruppe den Markt der polnischen Regionalblätter fast zu 80 Prozent. Diese Monopolstellung der Passauer existiert in einer etwa gleichen Größenordnung auch in Tschechien und der Slowakei."Mir ist es dabei völlig egal, ob das nun Deutsche sind oder sonst wer", sagt Baranski. "Hier wird die Meinungsbildung einer ganzen Region auf nicht hinnehmbare Weise beeinflusst. Und wenn ich mir die Blätter von Polskapresse ansehe, so zeigen alle, die das Wort Gazeta (Zeitung) im Titel führen, ein auffallend gleiches Design wie auch inhaltlich eine gleiche Machart. Offenbar geschieht das, um ein werbefreundliches Klima zu schaffen, denn Gewinne werden über Werbeeinnahmen erzielt, weniger durch die Leser."Nicht nur in Wroclaw ist von einer "Germanisierung der polnischen Presse" die Rede. Die Printmedien des Landes werden inzwischen zu vier Fünfteln von ausländischem Kapital beherrscht, bestätigt der Europäische Journalistenverband, wobei deutsche Unternehmen die Hälfte aller polnischen Zeitschriften herausgeben und jede vierte polnische Tagezeitung mit deutschem Geld produzieren lassen.In dieser Situation behauptet sich Gazeta Wyborcza mit über 400.000 Exemplaren noch immer als auflagenstärkste Tageszeitung. Das Blatt des ehemaligen Dissidenten Adam Michnik ist im Besitz der Agora, die zu 90 Prozent in polnischer Hand ist, der Rest gehört dem amerikanischen Pressegiganten Cox. Noch ist die Gazeta auch deshalb der Platzhirsch unter den überregionalen Tageszeitungen, weil es gelungen ist, über 40 Prozent des Anzeigenmarktes zu binden. Nummer zwei ist das Boulevardblatt Super Express mit einer Auflagenhöhe von 300.000 Stück. Der herausgebende Verlag Media Express gehört zur Hälfte dem schwedischen Bonnier-Konzern.Den mitten in einer Flaute mit teils drastischen Auflagenrückgängen konfrontierten Markt neu zu sortieren, schickt sich nun der Axel Springer Verlag an. Im Oktober wurde mit gewaltigem Werbeaufwand der Bildzeitungsklon Fakt auf den Markt geworfen - die einzige große polnische Tagezeitung, bei der es nicht einmal mehr auf symbolische Weise eine polnische Beteiligung gibt, denn Axel Springer Polska ist eine hundertprozentige Tochter des deutschen Medienkonzerns.Nach dessen Angaben soll Fakt vom ersten Tag an mit einer verkauften Auflage von gut 200.000 Exemplaren reüssieren. Der Kampf um die Leser jedenfalls ist eröffnet, das Ende ungewiss, ob alle Tageszeitungen überleben, scheint fraglich. Begonnen hat ein raubeiniger Verdrängungswettbewerb, die Anzeigenpreise sind Kampfansagen an die Konkurrenz, und der Fakt-Verkaufspreis ist es auch: Er liegt bei der Hälfte dessen, was für den direkten Boulevard-Rivalen Super Express zu zahlen ist. Man kann davon ausgehen, dass sich Springer die Polen-Strategie der Passauer Verlagsgruppe genau angesehen hat, deren Preisdumping ähnlich war. Allein die bisherige Werbekampagne deutet daraufhin, dass sich der deutsche Presse-Oligarch einen Reinfall in Polen schon aus Prestigegründen nicht leisten will. Bis Ende 2004 sind 20 Millionen Euro vorgesehen. Fakt wird damit gut über den Winter kommen, die Redaktion hat sich immerhin den Skispringer Adam Malysz als Kolumnisten gesichert - das Zeitungslogo wird an seiner Brust prangen.Maciej Baranski ist skeptisch, er erwartet, dass Polens öffentliche Meinung von der Springer-Offensive nicht unberührt bleibt, betrachtet er doch Zeitungen wie Gazeta Wyborcza und Rzeczpospolita als Informationsblätter, während er Bild für ein Meinungsblatt hält. Wie viele Polen sagt er nicht Fakt, sondern Bild.(*) Name geändertZahlen zur polnischen PresseRegionale Zeitungen/Region WroclawAuflageEigentümerWieczor Wroclawia32.000Polskapresse, 100-Prozenttochter Verlagsgruppe PassauSlowo Polskie39.500Polskapresse, 100-Prozenttochter Verlagsgruppe Passau (geplant)Gazeta Wroclawska60.000Polskapresse, 100-Prozenttochter Verlagsgruppe Passau (geplant)Überregionale ZeitungenGazeta Wyborcza420.000Agora, Beteiligung der US-Cox-Gruppe (10,3 Prozent)Super Express300.000Media Express, Beteiligung des schwedischen Konzerns Bonnier (49 Prozent)Rzeczpospolita265.000Orkla, norwegischer Pressekonzern (51 Prozent)Fakt200.000AS Polska, 100-Prozent-Tochter des Springer-KonzernsQuelle: OBP (Osrodek Badan Prasoznawczych), Krakau