Manchmal bilden Worte Paare, dass man denkt, sie gehörten schon immer zusammen. Wie Vor- und Nachname, wie Revolutionsführer und Gaddafi, Kanzler und Kohl. Oder wie IOC-Präsident und Samaranch. Der heißt mit Vornamen eigentlich Juan Antonio und ist seit Montag nicht mehr Herr der Ringe. Nach fast auf den Tag genau 21 Jahren ging eine Ära zu Ende. Hoffentlich, sagen Kritiker des olympischen Ringelpietz, denn der Spanier steht wie kein zweiter für die Kommerzialiserung der Spiele, für die Profi-Öffnung, für Erpressung, Korruption und Kabale, kurz: für den Verrat der olympischen Ideale. Bis zum letzten Tag hat Samaranch das Amt ausgekostet. Am Dienstag wurde er 81 und überschritt damit die präsidiale Altersgrenze. Das war sicher nich
icht der Grund für sein Ausscheiden. Schließlich hatte er schon einmal das Höchstalter von 75 auf 80 Jahre angehoben. Auch sonst hat er alles erreicht, das IOC tanzt nach seiner Pfeife. Wichtig war dem alten Mann nur noch, die Spiele 2008 nach Bejing zu bringen und seinen Filius Juan Antonio jr. im Kommitee zu installieren.Während ihm die einen jetzt Lorbeerkränze flechten, zerren andere erneut unschöne Dinge aus Samaranchs vorolympischem Leben ans Licht. Weil das immerhin sechzig Jahre währte, lassen sie sich schlecht als Jugendsünden verbrämen. Warum auch? Samaranch ist stolz auf seine Vergangenheit. Als zuverlässiger Anhänger Francos war er dem faschistischen Regime treu ergeben, ob als Stadtrat Barcelonas, als Staatssekretär für Sport oder als Regionalpräsident im unterdrückten Katalonien. Nach dessen Tod war Samaranch zumindest in Spanien nicht mehr tragbar und musste mit dem Posten als Botschafter in Moskau vorlieb nehmen. Dort fand er sich sehr schnell sehr gut zurecht. IOC-Mitglied Witali Smirnow bescheinigt ihm sogar, er hätte dort politisch Karriere machen können. Offensichtlich zog Samaranch 1980 die IOC-Präsidentschaft dem Breschnew-Erbe vor. Auch dass er sich im Dunst der mächtigen Katholikensekte Opus Dei, einer skandalumwitterten »Heiligen Mafia«, mindestens gut auskannte, hat sich später keineswegs nachteilig ausgewirkt. Im Gegenteil: Mittels einer PR-Agentur hatte er ernsthaft versucht, den Friedensnobelpreis einzuheimsen. Wofür, blieb jedem schleierhaft, weshalb jetzt das Olympische Museum in Lausanne als Denkmal herhalten muss. Es soll seinen Namen tragen.Zum Nachfolger des G´schaftlhubers hat das IOC den belgischen Chirurgen Jacques Rogge gewählt. Er kam mit dem Fahrstuhl auf den Olymp, schließlich war er der Wunschkandidat Samaranchs. In der Sportwelt wird Rogge aber »dennoch« als seriös eingeschätzt. Konsequenter wäre ein Sieg des Koreaners Kim Un Yong erschienen. Noch kurz vor der Wahl hatte der angekündigt, die lukrativen Reisen in die Bewerberstädte wieder zu erlauben und jedem IOC-Mitglied eine jährliche Aufwandsentschädigung von 50.000 Dollar versprochen. Entweder war das selbst den skandal-resistenten IOClern zu doll oder sie befürchteten das Verbot des olympischen Altherrenzirkels wegen organisierter Kriminalität. Der einstige Geheimagent Kim, Vertrauter diverser südkoreanischer Juntadespoten, hasst Widersacher, wie den IOC-Generaldirektor Francois Carrard, den er einmal beinahe mit einem gezielten Handkantenschlag ausgeknockt hätte. Als problematischer erwies sich, dass gerade Kim im großen Bestechungsskandal um Salt Lake City beide Hände aufgehalten hatte, weswegen er sich die »allerschärfste Verwarnung« einhandelte. Rausgeworfen wird man deswegen noch lange nicht, wie das Beispiel seines Landsmannes He Kun Lee beweist, den ein Gericht 1996 wegen Korruption zwar zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt hatte, der aber eben nicht einfach IOC-Mitglied, sondern auch Chef des Sponsors Samsung und vor allem Milliardär ist.Im IOC macht ihn das nicht zum Außenseiter. Francis Njangweso, berüchtigter Militärminister des noch berüchtigteren Idi Amin, ist dort ebenso vertreten wie Lassana Palenfo, General der Militurjunta an der Elfenbeinküste, berühmt für Waffenhandel und Veruntreuung. Er hat einen Sitz im IOC und einen im Gefängnis. Wie auch Bob Hasan. Der Vertraute des Ex-Diktors Suharto ist nicht nur korrupter Holzindustrieller und einer der weltgrößten Umweltzerstörer, sondern ebenfalls sowohl im IOC als auch im Gefängnis. Shamil Tarpitschew, der einst den Ex-Präsidenten Jelzin das Tennisspielen lehrte, ist auf freiem Fuß. Dass er als Kopf der Russen-Mafia gilt, wirkt weniger sympathisch.Das Netz von Macht und Geld und Sport ist eng gesponnen und oft mehr als halbseiden. Längst scheint die olympische Familie zur kriminellen Mischpoke verkommen zu sein. So verweigerten die australischen Behörden anlässlich der Spiele in Sydney zwei hohen Mitgliedern die Einreise - aus Gründen der nationalen Sicherheit. Einer soll zur russischen Mafia gehören, der andere zu den chinesischen Triaden. Viel Arbeit für Jacques Rogge. Doch bevor er reformieren kann, müssen die Worte »IOC-Präsident« und »Rogge« noch ein festes Paar werden.