Die Erwartungshaltung bei den lokalen Medien war groß, als vor wenigen Tagen - nach dem Platzen der Verhandlungen mit dem Senat um einen neuen Bauwagenplatz - die so genannte »Bambule« zum Resümee in den Butt-Club der Hafenstraße 126 einlädt. Schließlich tobte an diesem historischen Ort vor weniger als 20 Jahren ein Kampf um den Erhalt einer ganzen Häuserzeile, der Hamburg beinahe in den Ausnahmezustand versetzte. Doch bei Fragen nach »Rache«, »sofortiger Großdemo« oder »Kampf gegen Olympia« bleiben die Bambulisten eher analytisch ruhig und cool. »Es wird sicherlich wieder eine Großdemonstration geben, aber die muss inhaltlich vorbereitet werden«, sagt Bambule-Sprecher Bernd Welte. Auf mehrere Nachfra
fragen nach der Olympia-Bewerbung Hamburgs lässt sich Bambule-Anwalt Manfred Getzmann dann doch zu einem Statement hinreißen und beginnt, ein wenig zu philosophieren. »Naja«, sagt er süffisant, »es wäre schon eine bizarre Szenerie, wenn Hamburg in die internationale Olympia-Auswahl kommt, die Fernsehteams aus allen Kontinenten in die Stadt einfallen, und dann Szenen von Polizeiaufmärschen und Räumungen von Bauwagenplätzen einfangen.« Auch Bambule-Co-Anwalt Andreas Beuth bestätigt, dass die Olympia-Bewerbung bei der Bambule-Räumung nur eine nebengeordnete Rolle gespielt hat. »Es war kaum jemand davon ausgegangen, dass Hamburg den Zuschlag bekommen könnte.«Der Bambule-Konflikt ist nach Insidermeinung daher eher der Versuch des Senats, in Konkurrenz zu anderen Metropolen durch repressive Stärke und neue rechtskonservative Wachstums- und Wertvorstellungen zu punkten, wobei selbst das Regierungskonglomerat im Hamburger Rathaus sich dabei nicht einig ist. Und so müssen eben Schlagwörter wie »saubere« und »wachsende Stadt« oder Prestige-Projekte wie »Hafencity«, »Euro-Passage« oder »Olympia-Bewerbung« als Synonym oder Pseudonym für alles herhalten. Einfachster Nenner der rechten Regierung derzeit: Was für die Wirtschaft gut ist, ist auch für Hamburg gut. Dabei war die Olympiabewerbung zweifelsohne ein geschickter Schachzug des Senats, um von den Problemen der Metropolenstadt Hamburg abzulenken. Die »Stadt der Millionäre« ist - wie die Hauptstadt Berlin - pleite und die Zahl der Arbeitslosen steigt. Dem stehen Versprechungen aus dem rechtspopulistischen Wahlkampf gegenüber, durch mehr Polizisten mehr Sicherheit zu suggerieren. Daher muss, so die Senatslogik, der Rotstift regieren und gerade bei Sozialeinrichtungen gekürzt werden. »Für Prestigeobjekte wird das Geld verschleudert - zu Lasten der Randgruppen«, so Beuth. Um dies nicht deutlich werden zu lassen, gibt es seit Monaten den medialen Chor von Politik, Wirtschaft und jetzt auch der Kirchen. »Feuer und Flamme für Olympia.«Dass der Bauwagenplatz Bambule geräumt wurde, ist aber eher das Produkt alter Feindgelüste: Die zwei Dutzend Bambulistas waren im November aus dem Karolinenviertel mit einem martialischen Polizeieinsatz vertrieben und wie im Mittelalter vom Vize-Stadthalter Ronald Schill der Stadt verwiesen worden. Obwohl die Bambule eine der ältesten Wagenburgen war und im Karoviertel von den Anwohnern akzeptiert wurde, wollte der Innensenator offenkundig ein Exempel statuieren. Denn das Pech für Bambule: Im Gegensatz zu anderen Bauwagenkolonien in der Hansestadt verfügten die Bambulisten über keinen Pachtvertrag für den Platz, da sie nach zehn Jahren staatlicher Duldung bis 2001 erfolgsorientiert mit dem rot-grünen Vorgängersenat um eine Alternative verhandelten.Das Pech des Senats: An der Bambule-Räumung kristallisierte sich der Protest der ganzen Stadt gegen Schill und den Sozialabbau. Einer Demo folgte der nächste Massenprotest. Bambule wurde zum Synonym des Widerstandes gegen die Senats-Politik in Hamburg. Dabei ist die Bauwagenthematik kein neues Problem. Seit 1959 gibt es in Hamburg das Wohnwagengesetz, das Wohnen in Gefährten mit vier Rädern grundsätzlich untersagt. Mit dem so genannten »Zigeunergesetz« sollte damals verhindert werden, dass in Zeiten des Wirtschaftswunders Landfahrer wie Roma und Sinti in die Stadt kommen. Trotz Bemühungen der Grünen in der vergangenen Legislaturperiode, dieses antiquierte Gesetz zu streichen, reichte es wegen des Widerstands der SPD-Betonfraktion nur zu einer schmalspurigen Korrektur, die befristetes Wohnen - wenn staatlich geduldet - zulässt. CDU-Bürgermeister Ole von Beust ist sich dieses Konfliktherdes offensichtlich bewusst: Er wollte die Bauwagenfrage endlich vom Tisch bekommen - vielleicht auch wegen der Olympia-Bewerbung. Er beauftragte im Dezember 2002 Innenstaatsrat Walter Wellinghausen mit der Schlichtung und weitreichenden inhaltlichen Befugnissen - eigentlich ein geschickter Schachzug. Wellinghausen ist ein gewiefter Stratege, ein ex-sozialdemokratischer Haudegen, als Anwalt der Rocker-Clique Hells Angels einiges gewohnt, und direkt dem politischen Kontrahenten Ronald Schill unterstellt. Doch auch Wellinghausen lief gegen Windmühlen. Alle Objekte waren schon im Vorweg »politisch nicht durchsetzbar«. Selbst die konkreten Angebote, die Wellinghausen unterbreitete, wurden Minuten vor der Entscheidung im Senat von den Hardlinern der CDU- und der Schill-Fraktion torpediert. Denn nach Schills »Saubere Stadt«-Philosophie konnte es nicht angehen, dass die »Chaoten« doch noch mit einem Punktsieg davonziehen. Und so steht eine Lösung der Bauwagenproblematik in weiter Ferne - im Gegenteil, die Räumung von acht Plätzen wegen auslaufender Verträge ist nahezu im Visier. Für Beuth hat der Schwarz-Schill-Senat damit ein Eigentor geschossen: »Die Ablehnung des Senats wird die Anti-Olympiabewegung stärken.« Und so ist für den Tag der nationalen Entscheidung schon eine Demo unter dem Slogan angesagt: »Bambule statt Olympia«.