Je länger der "Neue Krieg des 21. Jahrhunderts" in Afghanistan dauert, desto deutlicher entpuppt er sich als ein eher gewöhnlicher Krieg des späten 20. Jahrhunderts. Modellfall Golfkrieg? Nicht ganz, weil die Akteure auf der Gegenseite verschieden sind. Aber es gibt Parallelen und schlechte Erfahrungen.
In Washington kursiert das Gerücht, es sei Vater Bush gewesen, der seinen Filius vor einer unmittelbaren militärischen Reaktion auf die Anschläge am 11. September gewarnt und ihm statt dessen geraten hätte, eine breite internationale Koalition zu bilden. Mit Dick Cheney und Colin Powell hat George W. Bush immerhin zwei Top-Berater aus dem Stab seines Vaters an Bord, die über entsprechende Erfahrungen verfügen. Die Aufgabe ist heikel: Wenn die west
el: Wenn die westliche Supermacht ein islamisches Land angreift, riskiert sie einen "Aufstand" in der arabisch/islamischen Welt, der sich sehr schnell zu einem "Flächenbrand" entwickeln und so manches pro-westliche Regime bedrohen könnte. Deshalb war es 1990/91 so wichtig für die USA, möglichst viele arabisch/islamische Staaten ins Boot der Anti-Irak-Koalition zu holen. Das aber ging nur, weil der Fall - die Aggression Bagdads gegen Kuwait - eindeutig war, und weil diese Staaten ein klares Interesse daran hatten, das irakische Bedrohungspotenzial zu schwächen.Und heute? Stellt sich die Beweislage im "Fall bin Laden" für die Mehrzahl der arabisch/islamischen Staaten alles andere als eindeutig dar. Dafür aber ist das Bedrohungsbewusstsein in diesem Teil der Welt weit ausgeprägter als vor zehn Jahren. Die Anschläge in Washington und New York haben eins in den Hintergrund gerückt: Diese Art des Terrorismus gibt es seit Jahren, er richte sich vor allem gegen die Regimes in der arabisch/islamischen Welt selbst. Viele davon haben der Renaissance eines radikalen - und militanten - Islamismus in den vergangenen Jahrzehnten erheblichen Vorschub geleistet. Die Gründe dafür sind komplexer Natur, lassen sich jedoch auf einen harten Kern zurückführen: Die soziale und kulturelle Marginalisierung einer wachsenden, immer jünger werdenden Bevölkerung im eigenen Land. In dieses Vakuum stoßen radikale Islamisten - materiell mit zahlreichen Wohlfahrtseinrichtungen, die quasi sozialstaatliche Funktionen wahrnehmen und geistig mit einer rückwärts gewandten Ideologie, die vor allem eines ist: anti-westlich.Am Beispiel Ägyptens lässt sich beobachten, unter welch doppelten Druck die Regimes in dieser Situation geraten. Um die wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu lösen, müssen sie sich der Globalisierung stellen, ihre Länder und Märkte öffnen. Das bietet Chancen, führt jedoch auch zu enormen inneren Verwerfungen, da diese Staaten kaum über Mittel verfügen, die erzwungene Strukturanpassung sozial abzufedern. Gleichzeitig sind die nicht oder nur quasi-demokratisch legitimierten Eliten gezwungen, sich mit einer wachsenden islamistischen Opposition auseinander zu setzen. Die Folge: Ein innenpolitischer Schlingerkurs zwischen Konzession und Repression, der den Radikalen weitere Anhänger zutreibt.Die offene Koalition mit den USA stellt in dieser Situation ein hohes Risiko dar So ist es eben kein Zufall, dass radikal-islamische Gruppierungen nach dem Golfkrieg gegen Irak verstärkt Zulauf fanden. Nicht aus Solidarität mit Saddam Hussein, sondern wegen des vermeintlichen "Verrats" der eigenen Führung an der "Sache des Islam". Das wirkt nach, bis heute.Doch die Eliten sind vorsichtiger geworden. Sie haben schlechte Erfahrung gemacht. Ihr Engagement an der Seite Washingtons hat sich - unter dem Strich - kaum gelohnt. Der Krieg gegen Irak konnte lediglich die akute militärische Bedrohung eliminieren. Aber sicherer ist die Region nicht geworden - weder politisch, noch ökonomisch oder sozial. Die versprochene Friedensdividende der "Neuen Weltordnung" kam nicht. Selbst Jordanien - als Nachbar Iraks vom Krieg und den anschließenden Sanktionen besonders hart getroffen und darüber hinaus der einzige arabische Staat, der nach dem Golfkrieg seinen Frieden mit Israel schloss - ging weitgehend leer aus. Und auch Syrien hat aus seinem spektakulären Kurswechsel 1990/91 bisher wenig Nutzen ziehen können.Deshalb wird man in der arabisch/islamischen Welt diesmal sehr viel genauer darauf achten, wem Washington was verspricht und "Vorkasse" verlangen. Das wichtigste "Zuckerbrot" aber, das Washington anbieten kann - und auch diesmal anbietet -, bleibt das Versprechen einer anderen Nahostpolitik. Jede Koalition "kostet" einen Tabubruch im amerikanisch-israelischen Verhältnis. 1990/91 war es die Internationale Nahostkonferenz von Madrid, gegen die man sich in Israel lange gewehrt hatte. Als Auftakt und multilaterales Rahmenprogramm für bilaterale Verhandlungen musste der damalige Premier Yitzhak Shamir auf Druck der damaligen Bush-Administration schließlich doch einlenken.Bush junior geht noch einen Schritt weiter. Sein Nahostplan, den Washington "nach den Militärschlägen" präsentieren will, sieht nicht nur einen palästinensischen Staat vor - das ist nicht neu -, sondern auch eine mögliche Teilung Jerusalems. Nun wurde auch diese Idee schon bei diversen Verhandlungsrunden diskutiert. Aber als amerikanischer Vorschlag bekommt sie ein ganz anderes politisches Gewicht - und dürfte für erhebliche Spannungen zwischen beiden Verbündeten sorgen.Verbündete? Ja. An den US-Sicherheitsgarantien für den jüdischen Staat lässt niemand einen Zweifel aufkommen. Aber heute, wie damals im Golfkrieg zeigt sich auch: Ein strategischer Gewinn ist Israel für die USA in solchen Situationen nicht. Die Anti-Terror-Koalition steht nur, wenn Israel sich raus hält. Und: Wenn Washington morgen nicht das nächste islamische Land ins Visier nimmt.