Vier schwarze Geländewagen schnurren über das Areal der ehemaligen Telefunken-Werke im Berliner Stadtteil Steglitz. Die buckligen Spritfresser fahren langsam, die Straße ist alt und schmal. Hohes Gestrüpp wuchert in die Fahrbahn, es behindert die Sicht auf die vierstöckige Fassade des riesigen Gebäudekomplexes, in dem zur Nazi-Zeit Radios hergestellt wurden. An einigen Stellen am Gebäude blättert der Putz ab. Nun soll hier der Luxus Einzug halten, gut 200 Loft-Wohnungen sollen entstehen. Zwei sind schon fertig, an diesem Abend werden sie möglichen Käufern zum ersten Mal gezeigt.
Die Wagen kommen in einem großen Innenhof zu stehen. Knapp 20 Leute – die Männer in dunklen Anzügen, einige Frauen in Cocktailkleidern – s
– steigen aus und stehen unschlüssig herum. Sie versuchen, sich zu orientieren. Ein Mann mit strengem Seitenscheitel sagt: „Da gibt’s Prosecco. Da muss es sein!“ Die Gruppe geht auf ein erleuchtetes Quergebäude zu. Vor dem Treppenaufgang warten Hostessen. Sie reichen gefüllte Sektflöten, viele Gäste nehmen ein Glas. Dann verschwinden sie im Haus.Marilyn Monroe war nie hier„Monroe Park“ heißt das Gelände heute, nach der US-Schauspielerin Marilyn Monroe. Der Hollywood-Star war hier nie, aber man hätte in Berlin-Steglitz so gern ein wenig Glamour und große weite Welt. Deswegen hängt die Monroe als Pop-Art-Wandgemälde auch an den hohen Wänden der Musterwohnungen. In den kommenden drei Jahren soll hier 25.000 Quadratmeter Wohnfläche entstehen. Von der Einzimmer-Singlewohnung bis zum Panorama-Penthouse, Dachterrasse und Privatgarten inklusive. Mit den Umbauten hat der Investor den Architekten Sergei Tchoban beauftragt, der mit dem Federation Tower in Moskau immerhin schon das höchste Gebäude Europas entworfen hat. Kleckern will man hier nicht.Die Telefunken-Werke wurden zwischen 1937 und 1940 gebaut. Nach dem zweiten Weltkrieg zogen die Amerikaner ein, sie nutzten den streng geometrischen Gebäudekomplex erst als Berliner Hauptquartier, dann als Kaserne. 1994 überließen sie den Bau seinem Schicksal. Ein Jahr später wurde er unter Denkmalschutz gestellt. Seitdem wächst das Unkraut.In dem Muster-Loft ist die Küche steril weiß. Frauen auf Pfennigabsätzen staksen über dunkles Parkett, eine inspiziert den riesigen Kühlschrank. Annette Günther, 40, steht etwas abseits. Mit einem Glas Schaumwein in der Hand lässt sie den Blick aus der offenen Küche in den Wohnbereich schweifen, der groß wie eine Squashhalle ist. „Ich finde das gut, wie hier Modernes mit Denkmalschutz kombiniert wird“, sagt die Projektmanagerin. Sie zupft an ihrem schwarz-weißen Abendkleid herum. Sie komme aus der Gegend, erzählt sie, kenne die Geschichte des Gebäudes. Besonders möge sie es, wenn alte Gebäude ihre „rough Elements“ behalten würden.Rau und ursprünglich wirkt in der Loftwohnung allerdings nichts mehr, selbst die offene Feuerstelle ist aus glänzend-glatt gebürstetem Stahl. Viele der Besucher haben Digitalkameras gezückt. Sie machen Fotos von den Designersofas, der schwarzen Natursteindusche und dem begehbaren Kleiderschrank.Ein Stockwerk höher ist die Spielwiese für die großen Jungs. Zwei Technikunternehmen haben die zweite Loft-Wohnung mit allem erdenklichen Schnickschnack ausgestattet. Ein Ingenieur steht vor einem Display, das im Eingangsbereich in die Wand eingelassen ist. Fünf Anzugträger umringen ihn. Der Technikexperte erzählt von „individuellen Nutzerprofilen“ und „zentralen Bedienelementen“ für „Multi-Room-Lösungen“. Nach einem Moment andächtiger Stille drückt der Mann auf dem Touchscreen das Wort „Fernsehen“. Jalousien fahren herunter, der Beamer springt an. Auf einer Leinwand, groß wie ein Segel, startet ein Immobilien-Werbefilm.30.000 Euro kostet das System, mit dem sich Licht, Heizung, Musik und Fernsehen zentral bedienen lassen. Kinderleicht sei das, meint der Experte. Doch die Fernbedienung ist wuchtig. Sie hat einen leuchtenden Mini-Bildschirm, viele Knöpfe und sieht aus, als könne man ein Raumschiff mit ihr steuern – ein wenig fühlt man sich in diesem Loft auch wie in einer anderen Welt, irgendwie abgehoben.„Hier wurden die besten Radios der Welt gebaut“, sagt Udo Schloemer. „Diese Geschichte, das hat mich gereizt.“ Schloemer ist 39 Jahre, Geschäftsführer der S+P Real Estate, die den Monroe Park sanieren. Er redet laut, versucht das Brummen der Lichtmaschinen zu übertönen, die den 40 Meter hohen Uhrenturm des Gebäudes in abwechselnd farbiges Licht tauchen.Der erste Investor: Lehman BrothersSchloemer – Anzug, weit aufgeknöpftes Hemd – freut sich, dass es endlich voran geht. 2008 mussten die Bauarbeiten unterbrochen werden, denn der Hauptinvestor, ausgerechnet die berüchtigte US-Bank Lehman Brothers, war pleite. Aber Schloemer wollte nicht, dass die US-Immobilienkrise auch seinen Traum vom Luxus in einer Berliner Ex-Kaserne zerstört. Er suchte neue Investoren. Jetzt gebe es einen Ansturm von Interessenten, sagt er.Nein, ein Reichenghetto solle es nicht werden. Kein hoher Zaun, keine Einlasskontrollen, sagt Schloemer: „Die Wohnungen sind auch für eine Familie aus der Mittelschicht bezahlbar.“ Für eine ziemlich gut verdienende Mittelschicht vielleicht. Der Quadratmeter liegt bei 2.200 Euro, ein 200- Quadratmeter-Loft kostet 440.000 Euro.In der Empfangshalle des Gebäudes plätschert die Aftershow-Party des Besichtigungstermins vor sich hin. Gut 200 Gäste haben es sich mittlerweile in einer Art Lounge gemütlich gemacht. Die potenziellen Mieter schlürfen Cocktails. Roulettetische sind aufgebaut. Casino-Kapitalismus könnte man es nennen. Doch an diesem Abend sind die Einsätze im Monroe Park nur Spielgeld.