Nein, ich möchte lieber nicht. Ich bin voll. Ich möchte durchaus nicht, nicht über den Casus Völler schreiben, und ich möchte das nicht noch einmal betonen. Ich möchte durchaus lieber nicht.
"Ich möchte lieber nicht." Das ist der Satz, der noch gesagt werden kann, in dieser Angelegenheit, vielleicht in der ganzen Angelegenheit deutscher Fußball/Medien ganz allgemein und ganz und gar.
"Ich möchte lieber nicht." Diesen einen Satz - mit geringfügigen Abweichungen - sagt Bartleby, ein Rechtsanwaltskanzleischreiber in Herman Melvilles bedrückend humaner Erzählung gleichen Namens, wie ein Sprechautomat auf. Manchmal sagt Bartleby auch, mit textgetreuer Betonung respektive Kursivierung wiedergegeben: "Ich möchte nicht." Nicht nicht. S
Ich möchte nicht." Nicht nicht. Sondern möchte. Nicht.Mag man noch mögen? Kollegen mögen möhren, ich mag eigentlich nicht möhren mehr, als sie eh schon beschwören und die Volksgemeinschaft betören, seit Bundestrainer Völler vor volksgezählten 8,41 Millionen TV-Zuschauern (Quelle: Bild, 8. September) beziehungsweise vor eher vier Millionen, weil zu viele nach dem 0:0 im EM-Qualifikationsspiel auf Island bereits weggeschaltet hatten, seine leider schon wieder "berühmte" "Wut-Rede" gegen Gerhard Delling, Günter Netzer, Waldemar Hartmann, Paul Breitner und all die anderen deprimierend grundlosen "Experten" hielt. Lieber möchte ich nicht.Dabei hatte Völler Recht, wenn er das längst in die allerschlechteste, allzeit erbrechenerregende Unendlichkeitsspirale hineingeratene Expertenfußballfernsehen vom Standpunkt des Fußballers und, notgedrungen, "Kleinbürgers" (taz) aus mit stammtischstarken und daher adäquaten Injurien überzog. Und weil er Recht hatte, hatte er freilich auch wieder Unrecht. Denn der Kleinbürger ist der rasende Konsument, der sich vom Medium, das er voll und ganz durchschaut und daher zum Eigentum seiner Borniertheit machen möchte, jenen Scheißdreck vorplappern lassen will, den zumal Delling und Piefke Netzer pausenlos von sich geben; so dass Völler rechtens rebellierte, aber nur zum Schein, nur um, nach der siegreichen Schottland-Partie, wieder autoritätshörig den Schwanz einzuziehen. Da hatten sie sich, nach der "Fernsehklamotte des Jahres", so ein wenig hellsichtig die Frankfurter Rundschau, "wieder supi-lieb".Ich möchte lieber nicht. Ich möchte lieber nicht mehr kommentieren: dass "Waldi", der meinethalben im professionellen Rahmen halbwegs elegant parierende Schmerbrocken, jetzt bei 7 Tage, 7 Köpfe mitschmieren und sonstiger Talkstargast (Kerner Co.) werden soll und wird; dass das, was im Fernsehen immer schon "durch" war, jetzt und fürderhin für und für durchgenommen werden muss - in übler "Unendlichkeit" des Immeröderen als Erfüllung des Je-schon-Gewesenen. Es ist das alles nicht wert und nichts wert. Nicht mal als Nichtiges.Eine Woche "danach" war Völlers sympathisch ungeschütztes Geröhre über den "Scheißdreck", die "Sauerei", den "Käse", den "Scheiß", den "Schwachsinn", den Weißbier-Kommunitarismus des BR und den wahrlich dazumal abgründigen Netzer-"Standfußball" schon inventarisiert. "Kalle wie Rudi Rambo", blökte Bild, besoffen am redaktionsinternen Schnapslatein, und das möchte ich "augenblicklich ganz und gar nicht" (Bartleby) kommentieren.Kommentieren können andere, alle. "Im Grunde" habe Völlers "Brandrede", legte etwa die Frankfurter Rundschau nach dem "Schotten-Sieg" (Neue Westfälische) nach wie vor autodynamisch-autosuggestiv nach, "allein Rudi Völlers Ego befriedigt". Mag ja sein. Doch sein muss nicht ein von einer sogenannten linksliberalen Tageszeitung nachgeschlapptes fußballstaatsmännisches Räsonnement dieser stiefelartig fauligen Art: "Völler wird durch seinen unausgegorenen Auftritt zudem nicht die Kultur der Kritik nachhaltig verändert haben." Die Kultur der Kritik, nein, die möchte ich lieber nicht mal mit Völler verändern; noch haben. Noch so was lesen müssen: "Rudi Völler hat mit seinem unreflektierten, egoistischen Jähzorn, strenggenommen, die ganze Mission EM-Qualifikation in Gefahr gebracht."Bild und Frankfurter Rundschau, es ist, beim Teufel der Wahrheit, alles eins. Die autoritäre Veranstaltung namens "deutscher Fußball" kennt keine Parteien mehr. "So darf sich ein Teamchef der deutschen Nationalmannschaft in der Öffentlichkeit nicht gehen lassen", schrieb Bilds Fußball-Oberschluru Alfred Draxler zum Island-Event der, gepriesen sei sie, "charakterlosesten Nationalmannschaft aller Zeiten". "Er wird einsehen müssen, dass er Kritiker in dieser Weise nicht attackieren darf." Sonst gibt´s die Peitsche, sonst gibt´s Pech und Teer und Tataatataa."Ich möchte nicht, sagte er respektvoll und langsam und verschwand sacht" aus diesem Text. "O Bartleby! O Menschlichkeit!"