Spenden-Untersuchungsausschuss Trotz 1.500 Seiten Abschlussbericht und 4.800 Seiten Protokoll ist das Ergebnis dürftig. Mehr war dank Wahlkampf und Parteiinteressen nicht zu erwarten
Am 16. Mai stellte Frank Hofmann, SPD-Obmann des Bundestags-Untersuchungsausschusses "Parteispenden", in dessen vorletzter Sitzung eine Frage, die ungewöhnlich, aber nicht untypisch für das Gremium war. Sein Auskunftsbegehren richtete sich nicht etwa an den Zeugen Franz Müntefering, der zur Kölner Müllaffäre Stellung nehmen sollte, sondern an dessen Befrager und CDU/CSU-Obmann Andreas Schmidt. "Wollen Sie, Herr Schmidt", fragte Hofmann, "Ihre Verleumdungskampagne einstellen und sich bei Herrn Müntefering entschuldigen?" Und Schmidt antwortete: "Ich habe nichts zurückzunehmen und auch nichts zu entschuldigen." Der Erkenntniswert eines solchen Wortwechsels für den Untersuchungsauftrag ist gleich Null; dafür verrät er etwas anderes: Ein s
s: Ein solches Gremium kann sich den Regeln des politischen Schlagabtauschs nicht entziehen. Im Klartext: Die Institution des parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist ein Widerspruch in sich. Im Parlament als politischer Kampfstätte geht es nur selten um die Artikulation eines einheitlichen Willens, ganz im Gegenteil. Ein Untersuchungsorgan jedoch ist dem gemeinsamen Ziel der Aufklärung unterworfen. In Kriminalfilmen, die mitunter neben der Arbeit am Fall auch eine soziale Studie des Polizeiteams liefern, kann man beobachten, wie hinderlich Fremdbestimmung oder der Einfluss eigener Interessen für die Aufklärung sind. Man weiß darum und nimmt hin, dass der investigative Ertrag solcher Ausschüsse in der Regel kaum das Papier wert ist, auf dem er am Ende gedruckt wird. Dennoch erfreuen sie sich beträchtlicher Beliebtheit, sind sie doch zumeist für die parlamentarische Opposition eine willkommene Gelegenheit, die Regierung wegen einer der immer häufigeren Affären wenigstens zeitweise vorzuführen und ihre Vertreter - auf der Zeugenbank - ein wenig lädiert aussehen zu lassen. Dass nicht viel mehr dabei herauskommt, dafür sorgt dann allerdings eben diese Regierung, indem sie einschlägigen Akten die höchste Geheimhaltungsstufe verleiht und beteiligten Personen detaillierte Sprachregelungen mit in den Zeugenstand gibt. Beim Ausschuss zum CDU-Spendenskandal bestand insofern eine abweichende Situation, als hier der seltene Fall vorlag, dass zunächst die Opposition auf der Anklagebank saß und die Koalition die Regeln bestimmte. Das veranlasste die angegriffene Union zur totalen Blockade und die noch nach Akzeptanz suchende Koalition dazu, den erhofften propagandistischen Gewinn vor einen soliden Aufklärungsertrag zu stellen. Unions-Obmann Schmidt machte denn auch gar keinen Hehl daraus, dass er sich im Ausschuss nicht als Aufklärer sehe, sondern als Verteidiger seiner Partei. Daher stellte er - solange es um die CDU ging - keine Fragen an die Zeugen, interpretierte in der Öffentlichkeit die Ergebnisse im parteiischen Sinne und fand auch nichts dabei, sich vor den Sitzungen immer wieder mit dem "Hauptangeklagten" Kohl zu beraten, was ihn schließlich selbst zum Gegenstand der Untersuchungen machte. Doch auch die andere Seite trug weitaus weniger zu einem respektablen Ergebnis bei, als ihr möglich gewesen wäre. Statt sich auf kriminalistische Kleinarbeit zu konzentrieren, berauschte sie sich an spektakulären Auftritten möglichst hochrangiger Unionsvertreter, die aber in der Sache wenig brachten. Zum einen, weil die SPD-Vertreter im Ausschuss oft ungenügend vorbereitet schienen und nicht einmal untereinander an einem Strang zogen, was anfangs ihren grünen Kollegen Hans-Christian Ströbele zum Star auf Koalitionsseite machte. Doch auch dessen Überraschungsangriffe auf die Zeugen nutzten sich bald ab, zumal die Unionsseite - wie bald durchsickerte - ihre Auftritte regelrecht zu proben begann. Alten Reflexen vertrauen Die zwei Jahre lang die Ausschussarbeit beherrschende Rollenteilung änderte sich total, als Anfang 2002 plötzlich der Kölner Spendenskandal der SPD auf den Tisch des Gremiums kam. Nun wurde die Union wissbegierig bis ins letzte Detail - und konnte natürlich auch nicht der Verlockung widerstehen, statt konkreter Akteure der Affäre prominente SPD-Spitzenleute in den Zeugenstand zu rufen, am liebsten natürlich den Kanzler. Auf der anderen Seite zeigte man sich zwar bemüht, aus den bisherigen Erfahrungen mit dem Ausschuss zu lernen und nicht auch in die Blockadetaktik von CDU und CSU zu verfallen, doch als es ernst wurde, brachen die alten Reflexe durch. Also verschwieg man zum Beispiel - vielleicht gar nicht beabsichtigt - den frühzeitig vorliegenden Bericht eines Wirtschaftsprüfers; dies entsprach eher eingeschliffenen Verhaltensstereotypen als der vorgeblichen Attitüde rückhaltloser Aufklärung. Die drei kleinen Parteien im Ausschuss konnten solche Defizite natürlich nicht wettmachen. Zum Teil unterlagen auch sie durchaus taktischen Erwägungen, was besonders bei Ströbele deutlich wurde. Hatte er sich gegenüber der Union durch besondere Aggressivität ausgezeichnet, so fielen seine Fragen an die SPD-Spendensünder weitaus moderater aus. FDP-Untersucher Max Stadler verstand sich im Ausschuss gern als eine moralische Instanz, achtete aber zugleich sorgsam darauf, dass an seiner Partei - weder wegen einer möglichen Verwicklung in das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien oder des Leuna-Deals, noch wegen der Rolle des Sonderermittlers Burkhard Hirsch bei der Untersuchung der Aktenvernichtung im Kanzleramt nach Kohls Abgang - etwas hängen blieb. Und zum Schluss, vielleicht schon eine gemeinsame Regierungsperiode unter einem CSU-Kanzler Stoiber vor Augen, erlahmten Stadlers Aktivitäten sichtlich. Zur Vernehmung Schreibers in Toronto reiste er nicht mit, und unrechtmäßige Spenden des Waffenlobbyisten an die CSU schließt das FDP-Sondervotum "beim jetzigen Erkenntnisstand" aus. Am wenigsten Rücksicht auf untersuchungsfremde Interessen musste PDS-Obfrau Evelyn Kenzler nehmen. Sah sie sich anfangs noch rüden Angriffen durch die Union ausgesetzt, die ihr jegliches moralisches Recht absprach, über "wahre Demokraten" zu urteilen, verschaffte sie sich bald durch ihre tatsächlich auf das Untersuchungsziel orientierte Arbeit Respekt. Ihre Fragen zielten weniger auf die medienwirksame Enthüllung von Fehlverhalten der Prominenz als auf präzise Einzelergebnisse. In ihrem Sondervotum spricht sie von zehn noch unentdeckten Konten der Partei und begründet damit "erhebliche Zweifel an der Version von Helmut Kohl, der angab, zwischen 1993 und 1998 insgesamt 2,174 Millionen Mark von Spendern erhalten zu haben, die anonym bleiben wollten". Sie vermutet, es gebe statt der vorgeblichen Spender im Verborgenen noch immer geheime CDU-Konten - eine Hypothese, die auch andere Ausschussmitglieder zumindest für schlüssig halten. Nach zweieinhalb Jahren, 123 Sitzungen, 129 Zeugen und 4.800 Seiten Protokoll wie einem nahezu 1.500 Seiten langen Abschlussbericht ist das vorzeigbare Ergebnis des Spendenausschusses vergleichsweise dünn. Er konnte zwar vieles bestätigen, was zuvor bereits die Medien oder staatsanwaltschaftliche Ermittlungen ans Licht gebracht hatten, dem jedoch nur wenig Neues hinzufügen, das zudem noch unterschiedlichem Urteil unterliegt. Die politische Landschaft pflegen So haben zwar SPD und Grüne und im wesentlichen auch die PDS festgestellt, dass zumindest in drei Fällen - der Panzerlieferung an Saudi-Arabien, dem Schreiberschen Bearhead-Projekt in Kanada, dem Verkauf der Eisenbahnerwohnungen an das Ehepaar Ehlerding - zweifelsfrei umfangreiche Gelder an Parteien und Politiker geflossen sind, mit denen diese Unternehmungen unterstützt werden sollten. Ob es sich dabei jedoch um Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit im strafrechtlichen Sinne, also um politische Korruption, handelt oder um letztlich zulässige Praktiken einer "Pflege der politischen Landschaft", der "Beatmung der Politik", des Einsatzes "nützlicher Aufwendungen", um nur die gängigsten Begriffe zu nennen, blieb strittig. Während es für die Union "keine irgendwie geartete Bestechlichkeit" gegeben hat, die FDP dafür zumindest keinen Beweis sieht und auch für die PDS "der Korruptionsvorwurf gegen die Kohl-Regierung nicht nachgewiesen werden konnte, aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann", sind SPD und Grüne diesbezüglich der "festen Überzeugung" (Hofmann). So sagen die Parteien am Ende nicht viel anderes als zu Anfang der Ausschussarbeit. Dennoch ist das Gremium nicht ganz erfolglos geblieben. Es gab Anstöße zur Neuformulierung, zur partiellen Verschärfung des Parteiengesetzes und zur Erarbeitung eines schon lange geplanten und nie zustande gekommenen Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse. Beides kann helfen, der Politik künftig einen allzu laxen Umgang mit Finanzen und Spendern zu erschweren und die Chancen für die Aufklärung einschlägiger Sünden zu erhöhen. Mehr war realistischer Weise wohl nicht zu erwarten.
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