Um Herzen und Hirne

Propagandakrieg Mit dem Programm "Initiative 9-11" will die US-Administration vermeintliche Rekrutierungsbasen Osama bin Ladens heimsuchen

Wer den Krieg gewinnen will, darf die Propagandaschlacht, "the battle for the hearts and minds", nicht verlieren. Noch im November sah es so aus, als habe Washington diese bittere Lektion aus dem Vietnam-Krieg vergessen, denn was auch immer geschah in Sachen Propaganda, es ging zunächst beachtlich daneben. Angefangen vom Abwurf kleiner Care-Pakete, die genauso gelb verpackt waren wie die mörderischen Streubomben, über Flugblätter mit bizarr-albernen Texten bis hin zu primitiven Radioprogrammen in holprigem Englisch.

Selbst der Regierungskanal Voice of America vermochte seinen Auftrag nicht zu erfüllen. Dessen Sendungen wurden von republikanischen Hurra-Patrioten im Kongress wegen angeblich nicht linientreuer Afghanistan-Reports mehrfach zurückgepfiffen. Der um Wochen verspätete Auftritt zahlreicher, hochrangiger US-Politiker bei Al Jazeera, der arabischen Spielart von CNN, half auch nicht weiter. Was Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice, Außenminister Powell, Verteidigungsminister Rumsfeld und andere dort zu sagen hatten, war zum einen nicht neu und konnte in seiner Plattheit keinen überzeugten Anti-Amerikaner, geschweige denn al-Qaida-Sympathisanten zum Umdenken bewegen.

Wenn Washington trotzdem überzeugt davon ist, die massiven Hassgefühle abbauen und die arabische Öffentlichkeit für sich einnehmen zu können, steckt nicht nur sprichwörtlicher amerikanischer Optimismus dahinter, sondern auch eine brandneue, multimediale Propaganda-Offensive der Bush-Administration. Ein "Mammut-Hörfunk-Fernseh-Internet-Projekt" mit etwa 1.000 Mitarbeitern, das sich Initiative 9-11 - "Initiative 11. September" - nennt, gedacht als schlagkräftige, ambitionierte Konkurrenz für Al Jazeera. Zentrales Mittel zum Zweck soll ein Fernsehkanal sein, der Nonstop sendet - Local- und International-News in 26 Sprachen. Hauptthema: der Terrorismus und Amerika im Mittleren Osten. Als Empfangszone für den Sender wird nicht weniger als die gesamte muslimische Welt anvisiert - von Nordafrika bis Indonesien, 40 Länder.

Als auserwählte Zielgruppe firmieren rund 500 Millionen junge Muslime im Alter von 15 bis 30 - nach der schlichten Washingtoner Lesart die potentielle al-Qaida-Reserve, die "Generation X" der Muslim-Guerilla des nächsten Jahrzehnts, vor allem Schüler und Studenten, denen nun mit "alternativen Programmen" kulturelle Erweckung blüht. "Eine blendende Idee", findet der demokratische Senator Joseph Biden, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Kongress. Biden gilt als treibende Kraft der Initiative. Er hat die Republikaner, das Außenministerium und den Präsidenten überzeugen können, dass selbst ein Preisschild von 500 Millionen Dollar nicht beanstandet werden darf, wenn es darum geht, künftige Terroranschläge auf Amerika zu verhindern. Diese Optik hat inzwischen auch Voice of America und Radio Free Europe zur Erhöhung ihres Etats verholfen. Letzteres wird mit einem Budget von 27 Millionen Dollar ein neues Radio Free Afghanistan einrichten und VOA ist für 30 Millionen ein komplett renoviertes Middle Eastern Radio Network zugesagt. Im vergangenen Jahr standen Voice für Sendungen in arabischer Sprache gerade fünf Millionen Dollar zur Verfügung.

Hume Horan, ehemaliger US-Botschafter in Saudi-Arabien, ist nicht gegen die neue "9-11-Initiative", aber skeptisch. "Machen sollten wir es auf alle Fälle, aber in diesem Kontext und zu diesem Zeitpunkt können Muslime eigentlich nur annehmen, dass wir unseren Propaganda-Rückstand aufholen wollen. Wenn Uncle Sam ihnen eine Lektion verpassen will, wird das besonders nach dem jetzigen Krieg in Afghanistan nicht gut bei ihnen ankommen." - Uncle Sam aber zögert nicht - der Kongress soll noch vor Jahresende sein Jawort und die benötigten Gelder frei geben.

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