Patente auf Gene und ihre Entdeckung könnten eine Kostenlawine im Gesundheitswesen ins Rollen und die Forschung ins Stocken bringen. Davor warnen Ärzte- und Krankenhausverbände angesichts der jüngst vom Bundeskabinett angekündigten Umsetzung der seit 1998 schwelenden EU-Biopatent-Richtlinie. Quer durch die Bundestagsfraktionen regt sich deshalb bereits Widerstand. Die Kritiker wollen zur Abstimmung den Fraktionszwang aufgehoben sehen. "Eine Mehrheit für die geplante Eins-zu-eins-Umsetzung gibt es innerhalb der Koalition ganz sicher nicht", sagt SPD-Gesundheitsexperte Wolfgang Wodarg.
Was Patente und daraus abgeleitete Lizenzen bewirken können, zeigt ein Rechtsstreit zwischen europäischen Blutspendediensten und den Pharma-Firmen Chiron und La Roche: e
und La Roche: es geht um drohende Kostensteigerungen von bis zu 3.000 Prozent. Hepatitis-C und HIV ist heute in keiner einzigen Blutspende mehr vorhanden, die vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) vertrieben wird. Jede Blutkonserve wurde vorab auf die Viren getestet - mit einem eigens entwickelten Verfahren. Allerdings quasi illegal, wenn man sich auf den Standpunkt der Pharmariesen stellt. Denn die beiden Firmen forderten seit 1999 pro untersuchter Spende rund 20 Euro an Lizenzgebühren. Chiron hatte sich das Patent auf Gene des Hepatitis-C-Virus selbst, La Roche auf die der Prüfung zu Grunde liegende sogenannte PCR-Messmethode gesichert.Zuvor, so die Deutsche Krankenhausgesellschaft, habe die Untersuchung einer einzelnen Spende noch weniger als einen Euro gekostet. Die horrende Preisforderungen bedeutet bei durchschnittlich 4,2 Millionen Blutspenden pro Jahr Mehrkosten in Höhe von 84 Millionen Euro. "Unbezahlbar, dagegen mussten wir etwas unternehmen", sagt Friedrich-Ernst Düppe vom im Streit federführenden DRK-Blutspendedienst West. Bis heute habe das DRK deshalb überhaupt keine Lizenzgebühren gezahlt. Jetzt hat die EU-Kommission im Beschwerdeverfahren gegen die Pharmaunternehmen wegen "Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung" entschieden, den europäischen Blutspendediensten aber nur einen Teilerfolg beschert. Denn Obergrenzen für die Lizenzforderungen, wie sie das DRK dringend angemahnt hatte, hat die Kommission nicht festgelegt. Das überlässt sie dem "Verhandlungsgeschick der Lizenznehmer", so eine Sprecherin. Allerdings fordert die Kommission mehr Wettbewerb. In Zukunft soll es mehrere Testanbieter geben. Die bisherigen Absprachen zwischen Chiron und La Roche jedenfalls sollen laut Kommission hinfällig sein. "Wie teuer die Tests werden, ist allerdings noch völlig offen, sicher ist nur, dass sie deutlich teurer werden", sagt Düppe. Auf Schadensersatz für die in den vergangenen Jahren ohne Lizenzzahlungen durchgeführten Tests wollen die beiden Firmen nur gegenüber den Blutspendediensten verzichten, die sich für die Zukunft auf eine Lizenz bei den beiden Unternehmen einigen. Wer das nicht tut, soll aus Brüssel auf Schadensersatz verklagt werden können. "Ein großes Problem", sagt Düppe lakonisch. Zwar habe man angesichts des Streits Rücklagen gebildet, allerdings "allenfalls in Höhe von drei Euro pro Test". Wenn jetzt zudem die EU-Biopatent-Richtlinie wortgetreu umgesetzt werde, drohe die Kostenwelle noch weiter anzuschwellen, sagen Gesundheitsexperten. Denn die sogenannte Harmonisierung der europäischen Patentrechte erlaubt die Patentierung ganzer Menschen, zumindest in Teilen. "Viel zu vieldeutig" sei die Richtlinie, sagt der Europapolitiker Wolfgang Wodarg. In der Richtlinie seien deshalb "Kostensprengsätze installiert", schreibt auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft in einer Stellungnahme. Zwar werden in der Richtlinie einerseits Patente auf Menschen und ihre Bestandteile untersagt, andererseits aber könnte "ein isolierter Bestandteil des menschlichen Körpers ... eine patentierbare Erfindung sein", so Artikel 5.2 der Richtlinie. Nicht ethische Bedenken eint die modernen Gegner der Richtlinie. Sie besetzen vielmehr das Themenfeld Forschungsfreiheit für sich, sonst ein Tummelplatz für Liberale. "Damit werden ganze Forschungsfelder strategisch vermint", sagt Wodarg. Vor Beginn von Forschungsvorhaben werde geprüft, ob und wie viele Patente auf Gene, Gensequenzen oder sonstige Körperbestandteile von anderen Firmen angemeldet wurden. Sind es zu viele, wird nicht geforscht. So werde die Tradition, auf Kongressen auch Teilerfolge und negative Ergebnisse auszutauschen, gefährdet, klagt denn auch der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe. "Wenn die Großen mittels der Patent-Richtlinie künftig ihre Claims abstecken, ist das Gift für Start-Up-Unternehmen im Biobereich", warnt der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe.Schon sammeln sich quer durch die Fraktionen die Gegner der jetzt von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries vorgelegten nationalen Umsetzung der Patentrichtlinie, um in Abstimmung mit kritischen Ländern wie Frankreich und Italien die Richtlinie zu überarbeiten. "Wir brauchen einen Entwurf, der den Patentmissbrauch abstellt und nicht blinden Gehorsam gegenüber der Kommission", sagt Wodarg.