So mancher Besucher hat die Galerie ASPN auf dem Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei am vergangenen Wochenende verärgert verlassen, einer wollte gar die Polizei rufen. Dabei gab es im Vergleich zur Echo-Verleihung nichts, über dessen Rechtmäßigkeit zu streiten gewesen wäre. Nach 13 Jahren auf dem Gelände hat sich ASPN vergrößert: von 100 auf 200 Quadratmeter. Doch zur Eröffnung präsentierten Michael Riedel und das Künstlerduo Famed scheinbar nicht mehr als den unfertigen Raum im Industrie-Chic.
Es war der Wunsch der Galerie, mit ihnen in die neue Ära zu starten: Famed, bekannt für aufwendige Neon-Arbeiten und Ironie, wird seit neun Jahren von ASPN vertreten. Michael Riedel ist seit einem Jahr Professor an der Hochschu
r Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und hat sich Ende 2017 von dem New Yorker Großgaleristen David Zwirner getrennt.An der Fassade blinken die Begriffe „truth“ und „trash“ in weißen Neon-Versalien im Wechsel. „Fragen zu Truth und Trash beantwortet Ihnen die Galeristin“, steht drinnen auf einem kleinen Aufsteller, wie man ihn aus dem Theaterfoyer kennt. So spielen Arne Linde und Carolin Nitsche sich selbst, machen, was sie als Galeristinnen immer machen: Besuchern vermitteln, was ausgestellt ist. Aus überdimensionalen Geldbörsen im Clutch-Format verkaufen sie Geldscheine. Scheine, die Michael Riedel für eine Ausstellung im Frankfurter Geldmuseum entworfen hat und die in der Bundesdruckerei über die Maschinen gelaufen sind.Mit der Lupe lassen sich einzelne Wörter und auch E-Mail-Adressen erkennen – es ist die gesamte Korrespondenz mit seiner einstigen Galerie. Für 20 Euro kauft man 20 Riedel, die in ihrer schicken Schwarz-Weiß-Optik Freude im Portemonnaie machen. Für 1.000 Euro gibt es zusätzlich eine Geldklammer von Famed, inklusive 500 Riedel, auch diese mit der Aufschrift „truth“ oder „trash“. Wahrheit oder Müll? Es ist die der Kunstblase stets im Nacken sitzende Nadel, die hier ausgestellt wird.Famed und Riedel sind bei weitem nicht die ersten Künstler, die mit einem leeren Galerieraum arbeiten. So ist die Ausstellung vielmehr als Statement der Galerie zu lesen, als Bekenntnis zu Kunst, die nicht verkäuflich oder schwer vermittelbar sein darf. Und die Vergrößerung, sie ist auch ein Bekenntnis zum Standort Leipzig.Mit nur 14 Galerien ist das Leipziger Spinnereigelände verhältnismäßig übersichtlich – ein Fakt, den nicht wenige Sammler zu schätzen wissen: Je kleiner die Auswahl, umso leichter fällt die Entscheidung. Alle paar Wochen wechseln die Galerien ihr Programm, dreimal im Jahr an einem gemeinsam organisierten Wochenende, zu dem auch zahlreiche der in der einstmals größten Baumwollspinnerei Kontinentaleuropas angesiedelten Ateliers und künstlerischen Werkstätten ihre Türen öffnen. Bratwurst und Bier prägen das Wochenende ebenso wie mehr oder weniger offizielle Partys.Köpfe aus KneteGrund zum Feiern hat Galerist Tobias Naehring, der einst begann, Kunst in seinem Wohnzimmer auszustellen, und dessen im Leipziger Westen angesiedelte Galerie seit Jahren mit einem guten Programm überzeugt. Nun hat er im vormaligen Raum von ASPN Quartier bezogen. Zum Auftakt zeigt er ein Best-of seiner Künstler. Bei Eigen & Art, dem internationalen Player mit Stammsitz in Leipzig, überzeugt Kai Schiemenz: Farbige Metallabsperrungen erinnern an einen Zoobesuch, neben den gewohnt abstrakten Formen überraschen Köpfe aus Knetmasse und unverputzte Sockel aus Baumarktmaterial. Auch Benjamin Dittrich, der in der Galerie b2 aus Lehrbüchern herausgelösten Formen ästhetische Selbstständigkeit verleiht, sowie Stefan Vogel und Lawrence Power, die im Laden für Nichts eine begehbare Gipslandschaft in den White Cube gezimmert haben, bestätigen, dass in Leipzig nicht nur Malerei verkauft wird. Falk Gernegroß, der vor zehn Jahren bei Neo Rauch studierte, zeigt eindeutig lesbare Bilder von nackten und angezogenen Frauen, die aufs Smartphone schauen oder wohl einen Penis bearbeiten. Komplexer wird es in der Halle 14, dem nichtkommerziellen Kunstzentrum auf dem Gelände. Die veranstaltet ein Requiem for a Failed State. Die Totenmesse ist der DDR gewidmet, deren Nachwirkungen trotz aller Einheitsdudelei noch immer spürbar sind. Susan Donath präsentiert etwas plump eine Urne mit der Gravur: „Stasi-Akten Familie Donath“. Interessanter ist Malte Wandels Auseinandersetzung mit Menschen aus Mosambik, die in den 1970er Jahren als Vertragsarbeiter in die DDR kamen und bis heute auf ihren Lohn warten. Eric Meiers Installation rührt an ein anderes Tabu, die hohe Alkoholikerrate unter Wendeverlierern: Leere Schnapsflaschen stehen neben großformatigen Schwarz-Weiß-Bildern, auf denen architektonische Reste des Sozialismus auf den Kapitalismus treffen. Zum Gallery Weekend Ende April wird ein Teil der Installation im Aperto-Raum in Berlin zu sehen sein. Der Titel: Zwei linke Füße.Nach dem Auftakt in Leipzig lädt die Hauptstadt ab dem 27. April zum Intensiv-Wochenende. Sammler und Galeristen könnten gleich gemeinsam im Mietwagen durch die Republik reisen, um zwischendurch auch noch auf der Art Cologne Gesicht zu zeigen. So günstig wie die Riedel-Scheine in Leipzig wird dort nichts sein. Um die 1.000 Riedel haben an dem Wochenende in Leipzig neue Besitzer gefunden. Die Wertsteigerung bleibt abzuwarten.