Zeitbomben für Jahrzehnte

Kommentar Streu- und Splitter-Munition endlich verbannen

Der erste Jahrestag des Libanon-Krieges erinnert daran, dass es 400 Millionen Menschen in 27 Ländern gibt, die im Augenblick direkt oder indirekt nicht explodierter Cluster-Munition ausgesetzt sind. Diese auch Streu- und Splitterbomben genannten Waffen töten Zivilisten rund um die Erde - während eines Krieges wie auch Jahre danach.

Norwegen arbeitet deshalb mit einer Reihe gleich gesinnter Staaten zusammen, um endlich einen Prozess einzuleiten, der zu einem weltweiten Verbot von Cluster-Munition führt. Als meine Regierung Ende Februar Gastgeberin einer internationalen Konferenz war, billigten 46 der 49 teilnehmenden Staaten die Absicht, möglichst bis Ende 2008 einen Bann über diese tödlichen Waffen zu verhängen und ein unterschriftsreifes Abkommen vorzulegen. Inzwischen sind bei mir 70 Unterstützungserklärungen für diese Oslo-Deklaration eingegangen, während es zugleich neue Initiativen gibt: Die peruanische Regierung etwa hat erklärt, alles dafür tun zu wollen, dass Lateinamerika zur ersten von Cluster-Bomben befreiten Zone der Erde wird.

Während es beim Verbot von Landminen erkennbare Fortschritte gibt, scheint trotz aller Bemühungen eine vergleichbare Ächtung von Streu-Munition (noch) nicht in Sicht. Ein Zustand, den wir dringend ändern müssen, weil die nicht explodierten Sprengkörper dieses Waffentyps mit ihrer verheerenden Splitterwirkung kaum weniger gefährlich sind als Minen aller Art. Nach Angaben des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) wurden - wie eingangs erwähnt - auf die Territorien von 27 Ländern Streu-Bomben abgeworfen. Diese Potenziale müssen dringend geborgen werden, sollen nicht große Agrarzonen verseucht bleiben und weiter Menschen getötet oder verstümmelt werden. In den Abwurfzonen zu leben, heißt ständig Risiken für Leib und Leben in Kauf nehmen zu müssen. Länder wie Laos, Kambodscha und Vietnam haben mehr als 30 Jahre nach dem Indochina-Krieg noch immer mit derartigen - aber auch anderen Zeitbomben - zu tun. Die in jüngster Zeit mit Cluster-Bomben geführten Kriege auf dem Balkan, im Irak, in Afghanistan und im Libanon haben bewiesen, welch grauenhafte Folgen der Gebrauch dieser Waffen für die Zivilbevölkerung haben kann - und hat.

Hilfswerke und Menschenrechtsorganisationen, die sich um die Pflege der Opfer von Cluster-Munition verdient gemacht haben, tragen dazu bei, dass eine Verbannung dieser Waffen auf der internationalen Tagesordnung steht. Norwegen ist einer der Staaten, der mit Nachdruck dazu auffordert, dieses humanitäre Problem zu lösen. Natürlich tut meine Regierung dies im Bewusstsein der Tatsache, dass es eine Reihe von Ländern gibt, die gegen einen derartigen Bann auftreten - vorrangig die großen Produzenten von Cluster-Munition beziehungsweise diejenigen Staaten, die über gewaltige Bestände dieser Waffen verfügen. Wird es trotzdem möglich sein, ein derartiges Abkommen aushandeln und vorlegen zu können? Wir glauben fest daran.

Schließlich stellen Antipersonen-Minen ein ähnliches internationales Problem dar. Gerade auf diesem Gebiet war so vieles möglich, was noch vor nicht allzu langer Zeit als unrealistisch galt. Es ist gelungen - zusammen mit humanitären Organisationen und den von einer Verminung besonders betroffenen Ländern - ein Engagement und eine Dynamik in Gang zu setzen, die 1997 zu einem ersten internationalen Verbot von Antipersonen-Minen geführt hat. In diesem Jahr feiern wir bereits das zehnjährige Bestehen dieses Abkommens, das von 153 Ländern unterschrieben und größtenteils ratifiziert worden ist. Das erfreulichste Resultat all dieser Bemühungen besteht wohl darin, dass Antipersonen-Minen heute kaum noch eingesetzt werden. Verminte Territorien sind vollständig geräumt worden - Tausende von Minen-Opfern erhielten Hilfe.

Norwegen ist davon überzeugt, dass - wenn die Cluster-Bomben der Bannstrahl einer Mehrheit der Staatengemeinschaft trifft - wir in dieser Hinsicht einen vergleichbaren Prozess auslösen können. Genau genommen - man denke an die Konferenz in Oslo - hat er bereits begonnen. Wenn wir alle zusammenhalten, werden wir es auch schaffen, ihn zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.

Jonas Gahr Støre ist Außenminister von Norwegen.


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