In einem Wüstengebiet im US-Bundesstaat Nevada sitzt Brandon Bryant in einem kleinen Container. Computer surren, der Raum wird nur von dem Licht der Monitore erhellt. Die Bilder darauf zeigen eine karge, braune Landschaft. Einige Personen, die an einem Lehmhaus stehen, sind zu sehen. Bryant schaltet auf Infrarotsicht. Nun sind die Menschen nur noch weiße Silhouetten. Mit seinem Joystick richtet er einen Laser auf die ihm unbekannten Personen. Ein Mann hinter Bryant gibt einen Countdown „Drei– Zwei–Eins– Rakete starten“. Der junge Soldat hält weiter auf sein Ziel. Nach wenigen Sekunden blitzt es im Monitor hell auf – eine Explosion. Die Menschen, die gerade noch zu sehen waren, sind verschwunden. Airman First Class Brandon Bryant hat in seinen fünf Jahren als Sensor-Operator einer „MQ-1B Predator“-Drohne Hunderte solcher Einsätze geflogen. Als er die US-Air Force 2011 verließ, bekam er ein Zertifikat, auf dem seine Erfolge aufgelistet waren: 6.000 Flugstunden – und 1.626 im Kampf getötete Feinde.
Eigentlich wollte die Air Force den Drohnen-Operator weiter behalten. Sie versprach ihm 109.000 US-Dollar allein als Bonus-Zahlung. Doch Bryant wollte nicht mehr. Er konnte nicht mehr. In den Einsätzen hatte er Schreckliches gesehen: Zerfetzte Körper von Menschen, die er selbst nicht eindeutig als Feinde identifizieren konnte; Kinder, die kurz vor dem Einschlag einer schon abgefeuerten Rakete aus dem Haus traten und in einem Feuerball verschwanden. Bryant war bei seinem ersten Einsatz gerade mal 21 Jahre alt, heute leidet er am posttraumatischen Belastungssyndrom.
Wo sich andere Drohnen-Piloten nach Dienstende schweigend zurückziehen, hat Bryant seine Stimme erhoben. Seit 2012 kritisiert er den US-Drohnenkrieg öffentlich. In zahlreichen Interviews machte er bekannt, dass bei dieser Kriegsführung der Tod von Zivilisten immer wieder bewusst in Kauf genommen werde. Die psychische Belastung der Drohnen-Mannschaften ist enorm: So musste Bryant schon an seinem ersten Arbeitstag auf seinem Monitor hilflos mit ansehen, wie ein von ihm aus der Luft begleiteter US-Konvoi im Irak auf eine Sprengfalle fuhr – wegen einer Störung der Kommunikation konnte er die Einheit nicht mehr warnen. Zwei US-Soldaten starben. Der Drohnen-Operator merkte, wie ihn das Töten von Menschen immer mehr abstumpfen ließ.
Für einige ist Bryant wegen seiner öffentlichen Kritik am geheimen US-Drohnenkrieg ein Verräter. Für andere ist er ein Held. Am Freitag wird er in Karlsruhe mit dem „Whistleblowerpreis 2015“ der deutschen Sektion der „Juristinnen und Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen“ und der „Vereinigung deutscher Wissenschaftler“ (VDW) ausgezeichnet. Die Friedensorganisationen wollen damit auf die von Bryant enthüllte Rolle Deutschlands im US-Drohnenkrieg aufmerksam machen.
Die US-Air-Base Ramstein in Rheinland-Pfalz spielt als Relaisstation und Air and Space Operations Center eine zentrale Rolle: 650 US-Soldaten sind dort für die Bildauswertung und Zielfindung tätig. Bryant machte bekannt, wie von deutschen Geheimdiensten an US-Stellen weitergegebene Mobiltelefon-Daten zur Ortung von Drohnen-Angriffszielen verwendet werden. Die dadurch erfolgten gezielten Tötungen sind laut Friedensaktivisten völkerrechtswidrig – und die Bundesregierung wisse darüber Bescheid.
Auch wenn die US-Administration Brandon Bryants Informationen bislang in keinem einzigen Fall als unzutreffend zurückgewiesen hat, waren sie für den ehemaligen Drohnen-Operator folgenschwer: Seit seinen ersten öffentlichen Äußerungen ist er zur Zielscheibe für Drohnen- und Kriegs-Befürworter geworden. In sozialen Netzwerken wandten sich Leute gegen ihn, sogar Todesdrohungen hat er erhalten. Seine Lebensumstände sind schlecht, er lebt heute unter einfachsten Bedingungen in der Nähe seiner Heimatstadt Missoula im US-Staat Montana. Dem Ausstieg aus der Armee und den Enthüllungen folgte soziale Ausgrenzung. Immerhin wurde er bislang strafrechtlich vom US-Militär nicht verfolgt.
Dabei wollte Bryant eigentlich nur helfen, Leben zu retten und das Land zu schützen. Teil seines Jobs war es auch, US-Soldaten vor Hinterhalten und dem sicheren Tod im Einsatzgebiet zu schützen. Bryant war eine Zeit lang sogar selbst im Irak stationiert, um von dort Drohnen zu steuern und das Special Operations Command, in dem alle US-Militär-Spezialeinheiten vereint sind, bei der Suche nach Top-Terroristen zu unterstützen.
Das Gefühl, jemandem zu helfen oder etwas Notwendiges zu tun, stellte sich dennoch nicht ein. Bryant plagten stattdessen Gewissensbisse. Er hatte Menschen getötet. Seine Arbeit war unmenschlich. Mit anderen Veteranen betreibt er daher heute das Projekt Red Hand, das sich der Aufklärung und Forderung nach mehr Transparenz im US-Krieg verschrieben hat. Seite an Seite kämpft er nun mit Glenn Greenwald, dem britischen Vertrauten des Whistleblowers Edward Snowden. Chelsea Manning, die über die Enthüllungsplattform Wikileaks amerikanische Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan enthüllte, ist eines seiner Vorbilder.
Seine eigenen Enthüllungen sind in der Öffentlichkeit noch wenig bekannt. Zumindest in Deutschland dürfte sich das mit dem „Whistleblowerpreis“ ändern, ebenso mit seinen Aussagen vor dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss diese Woche. Erste Proteste wegen des Drohnenkriegs vor der US-Air Base Ramstein gab es erst vor wenigen Wochen. Doch selbst wenn die USA ihren Drohnenkrieg nach öffentlichem Druck beenden würden, wird Bryant weiter mit der Last der von ihm getöteten Menschen leben müssen.
Kommentare 27
Das ist Mord. Nichts anders.We kill based on Metadata.Deutschland macht sich mitschuldig.Ohne Ramstein kein Drohnenkrieg.
Die Welt ist ein Schlachtfeld schrieb Jeremy Scahill und die illegalen Drohnenangriffe werden den Krieg weiter befeuern. Ein Krieg der auf falschen Prämissen beruht und der von unserem Bundespräsidenten nicht als Krieg bezeichnet wird:
"Die Amerikaner waren ja auch im Nahen Osten, äh, aktiv um Verhältnisse zu verändern, Diktaturen zu stürzen, neue Gesellschaften zu errichten. Aus diesen Einsätzen und Kämpfen heraus sind ja auch Flüchtlingssituationen entstanden. Da beißt die Maus keinen Faden ab."
Es ist großer Quatsch, das sich Deutschland mitschuldig mache. Eine US Basis in Deutschland ist ja gar nicht unter unserer Hoheit. Für diese Art Einsätze ist es auch vollkommen wumpe wo die Zentrale liegt. Sicherlich können Bürger in Ramstein protestieren, aber vor dem Zaun. Das steht ihnen frei. Bürger können auch andere Maßnahmen ergreifen wie z.B. Sex mit US Soldaten verweigern. All das tut aber keiner. Im Grunde genommen unterstützen die meisten die USA Linie von Obama und das ist auch in Ordnung. Wer von Mord redet, der hat eine naive Vorstellung von robuster Außenpolitik oder will einfach Stimmung machen.
Wer von Mord redet, der hat eine naive Vorstellung von robuster Außenpolitik oder will einfach Stimmung machen.
Wer sowas schreibt, hat sich anscheinend noch nie mit dem Völkerrecht auseinander gesetzt, oder schert sich einen Dreck darum.
"Wer sowas schreibt, hat sich anscheinend noch nie mit dem Völkerrecht auseinander gesetzt, oder schert sich einen Dreck darum."
Oder er trollt im Dienste der NATO. Ach nein, das gibts ja nur bei den Russen.
Nach dem Maßstab der Nürnberger Prozesse müsste Obama hängen.
Die Erkenntnisse kommen spät. Zu spät. Die Hinweise auf seine Jugend und die "eigentlich guten Absichten" ändern daran überhaupt nichts. Der Mann brauchte 1.626 vernichtete Menschenleben, um sein mörderisches Handwerk aufzugeben. Er hat damit seinen Lebensunterhalt verdient. Niemand hat ihn zu seinen Taten gezwungen.
Es ist gut, dass er damit aufgehört und Dinge öffentlich gemacht hat. Ihm, dem wiederholt und bewusst handelnden Täter, jetzt einen Preis zu verleihen, empfinde ich als obszön.
Letzten Endes muss man sich dann mit der Kommandoebene unterhalten, nicht Melodramen mit ausführenden Menschen. Es steht Dir ja frei vor einer Kaserne zu demonstrieren, nur ich sehe das in Deutschland nirgendwo.
"Als er die US-Air Force 2011 verließ, bekam er ein Zertifikat, auf dem seine Erfolge aufgelistet waren: 6.000 Flugstunden – und 1.626 im Kampf getötete Feinde."
Das ist wirklich erschreckend. Wenn ein einziger Soldat schon 1.626 Menschen getötet hat, dann frage ich mich automatisch: Wie viele gibt es von denen? Wie viele Leute sind dabei bereits umgebracht worden? Nicht nur Taliban oder andere Islamisten, sondern Zivilisten, Männer, Frauen und Kinder, die zufällig in der Nähe waren oder aus Amerika zum Abschuss frei gegeben wurden? Vor allem die unschuldigen Opfer, werden nicht aus dem Gedächtnis der Menschen verschwinden. Und was hat das letztlich bewirkt? Der Terror geht weiter. Jetzt musste Obama seinen Beschluss zurücknehmen die Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Warum werden diese Zusammenhänge sowohl von der Politik, als auch von der Öffentlichkeitdermaßen ignoriert?
Ein halber Kindersoldat, wie die meisten GIs, sie wissen nicht, was sie tun und bis sie es wissen, sind sie tief in Schuld verstrickt.
In Vietnam sind 60.000 GIs umgekommen, weitere 60.000 haben sich in den USA das Leben genommen!
Ich muß mir mal wieder 'PT aus Arizona' von Degenhardt anhören, spielt zwischen Ramstein, K- Town, Karlsruhe und dem krummen Elsaß, ein US Indianer wollte lieber doch nicht nach Vietnam.
Ob Brendon sich in den USA sich noch wohlfühlen wird?
@Menschenaffe
"Es ist gut, dass er damit aufgehört und Dinge öffentlich gemacht hat. Ihm, dem wiederholt und bewusst handelnden Täter, jetzt einen Preis zu verleihen, empfinde ich als obszön."
Warum fällt mir jetzt das Gleichnis vom verlorenen Sohn ein?
PT aus Arizona, spielt im Jahre 66, vor einem halben Jahrhundert, der Fortschritt hat uns Internet und grandiose Waffen beschert und die gesellschaftlichen Verhältnisse sind noch genauso erbärmlich, wie damals
Kapitalfaschismus -- 2015 --
Modifizierter Kapital-Faschismus heute.
"Bildauswertung" und "Zielfindung" in der BRD -- für NATO-Krieg, Vernichtung und Massenmord in (anderen) Welt- und Armutsregonen.
Eben, moderner Kapitalfaschismus: VSA-BDI-BND-BDA-BRD-EU-Kapitalismus und VSA-NATO-Wirtschafts- und Rohstoff-Imperialismus, ideologisch modifiziert heute (2015), wie gestern (1933 -- 1938 / 1939 -- 1945)!
Es steht Dir ja frei vor einer Kaserne zu demonstrieren, nur ich sehe das in Deutschland nirgendwo.
Demonstration am 26.09. in Ramstein?
Wie viele Leute sind dabei bereits umgebracht worden? Nicht nur Taliban oder andere Islamisten, sondern Zivilisten, Männer, Frauen und Kinder, die zufällig in der Nähe waren oder aus Amerika zum Abschuss frei gegeben wurden?
Antworten gibt es u.a. hier:
http://chrgj.org/wp-content/uploads/2012/10/Living-Under-Drones.pdf
Stimmt, denn "Wir" sind ja die Guten ...
lieber ehemaliger Nutzer,
wo bist du geblieben, wolltest du wieder über die Fassbamba schreiben und darum wieder zum ehemaligen Nutzer befördert worden?
Der ehemalige Nutzer, ein mittlerweile legendärer Status in der Community ;)
Sind Sie auch schon mal befördert worden? und wie denken Sie läuft es? ein 'moderator' beim fr oder ein ehrenamtlicher Mitarbeiter in crypto city? ich denke, es ist ein Algoritmus, eine Maschine. Es ist auch garnicht so einfach, herauszufinden, wo genau sich die Leitplanken befinden.
Luftpost lesen!
warum Sie es so wenig sehen? Ich glaube, das hatten wir gerade angesprochen.
Wegen der Teilnehmerzahl gab's mehrmals Programmbeschwerde bei öffentlich rechtlichen Depublizisten
Tut mir leid, davon habe ich nichts mitgekriegt. 1000 Teilnehmer. Naja, da ist doch nocht Potenzial.
manch mächtige lassen ihre listen ab-arbeiten, gedeckt von medialer zustimmung oder auf gottes geheiß. ist schon traurig, daß meine liste nicht zum zug kommt, würde die verantwortung schon übernehmen...
jetzt mich bitte nicht imaginieren als väterchen, der nachts beim schein der schreibtischlampe häkchen auf listen anbringt. wollte aber aus meiner mördergrube kein herz stilisieren.
"Antworten gibt es u.a. hier:
http://chrgj.org/wp-content/uploads/2012/10/Living-Under-Drones.pdf"
Das beantwortet natürlich schon die ein oder andere Frage. Aber die emotionale Betroffenheit und damit die Frage, die eigentlich hinter meinem Beitrag stand: "Warum ist das so?" und warum das alles dann in der Bewertung durch unsere Medien und unsere Öffentlichkeit viel weniger wichtig ist, als jeder Furz, den Putin ablässt, wird dadurch natürlich nicht ansatzweise beantwortet. Wie auch? TRotzdem, alles klar und vielen Dank für den Link.
Sie hatten ja auch bzgl. der Opferzahlen gefragt, daher die Studie. Was den öffentlichen Umgang mit dieser Thematik angeht - eine ganz andere Sache, da haben Sie völlig recht.
... dann sind wir aber nicht besser als der Freidensnobelpreisträger! Gerade wir Deutschen sollten da sehr vorsichtig sein - mit Sprüchen.
Jemand der an der Tötung von über 1600 Menschen beteiligt war ist für mich ein Massenmörder. Ob auf Befehl, fürs Vaterland oder für die angebliche Verteidigung unserer Demokratie, jeder Mensch hat die Möglichkeit über sein Handeln zu entscheiden, das unterscheidet uns von Tieren und Maschinen.
Sein Engagement respektiere ich, aber ihn als Helden zu bezeichnen ist bizarr.