Mit Sicherheit mehr Freiheit

Vorratsdatenspeicher Die Justizministerin feiert das Urteil aus Karlsruhe, ganz anders als die Kollegen von Schwarz-Gelb. Um die Vorratsdatenspeicherung ganz zu kippen, muss nun Brüssel helfen

Eine glücklichere Verliererin saß wohl selten vor den versammelten Hauptstadtjournalisten in der Bundespressekonferenz. „Das ist ein wirklicher Tag zur Freude“, strahlte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in den Saal. Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht erst kurz zuvor der Bundesregierung, und damit auch der Justizministerin, die Vorratsdatenspeicherung um die Ohren gehauen, doch Leutheusser-Schnarrenberger sieht das nicht als Niederlage. Schließlich hatte sie selbst noch als einfache Abgeordnete die Klage in Karlsruhe eingereicht.

Doch die gute Laune der Ministerin dürfte sich bald wieder verflüchtigen. Zwar lobten fast alle im Bundestag vertretenen Parteien die Karlsruher Entscheidung, doch ausgerechnet Leutheusser-Schnarrenbergers Koalitionspartner reagierte eher mürrisch. Die schwarz-gelbe Koalition dürfte damit um einen Streitherd reicher sein.

"Effektives Instrument"

„Ich hätte mir am heutigen Tag ein anderes Urteil gewünscht“, sagte Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Und auch in der Unionsfraktion rumort es bereits: Mit dem Urteil nehme den Ermittlungsbehörden eines der effektivsten Instrumente im Kampf gegen den Terrorismus, erklärte Michael Grosse-Brömer, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion. Ein Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung käme daher nicht in Frage. Der stellvertretende Fraktionschef Günther Krings forderte zügig ein neues Gesetz vorzulegen, „das den hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügt“.

Doch die Justizministerin will sich nicht hetzen lassen. Ein nationales Vorpreschen halte sie für falsch, so Leutheusser-Schnarrenberger. Das Sicherheitsargument will sie zudem nicht gelten lassen. Schließlich beziehe sich das Urteil nur auf das Speichern von Vorratsdaten. Die Verkehrsdaten, also die Daten, die die Telekommunikationsanbieter schon immer speichern mussten um Rechnungen zu erstellen, gebe es auch weiterhin. Und auf diese Daten hätten Ermittlungsbehörden schließlich auch vor der Vorratsdatenspeicherung zugreifen können, wenn es um das Aufklären besonders schwerer Straftaten ging. Eine schnelle Lösung sei deshalb nicht nötig, so Leutheusser-Schnarrenberger. Vielmehr müsse jetzt im Rahmen der EU neu verhandelt werden.

Damit spielt die Ministerin auf Zeit. Doch der Umweg über Brüssel bietet ihr noch eine weitere Chance: Die missliebige EU-Richtlinie, auf der die deutsche Vorratsdatenspeicherung basierte, könnte fallen.

Entsprechende Signale sendete die neue EU-Justizkommissarin Viviane Reding aus. Es müsse „gewährleistet werden“, dass die Vorratsdatenspeicherung mit der seit Dezember verbindlichen EU-Grundrechtecharta „vereinbar“ sei. „Die Vorratsdatenspeicherung kann jedermanns Grundrecht auf Privatsphäre einschränken“, so die Kommissarin. Deshalb kündigte sie eine Überprüfung an. Leutheusser-Schnarrenberger unterstützt dieses Vorhaben.

Es wäre der sauberste Weg aus dem Dilemma, vor dem der Gesetzgeber jetzt steht. Zum einen hat ihm Karlsruhe gerade eine der schallensten Ohrfeigen der jüngeren Vergangenheit verpasst, zum anderen ist er dazu verpflichtet die entsprechende EU-Richtlinie umzusetzen. Eine einfache Lösung wird es hier nicht geben, doch ein Blick auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag macht klar: Eine Vorratsdatenspeicherung die so weit geht wie die heute für nichtig erklärte, wird es nicht mehr geben.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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