DOMINIKANISCHE REPUBLIK Der Machismus verhindert den Gebrauch von Kondomen und erklärt stattdessen Prostituierte, Homosexuelle und Haitianerinnen zur Gefahr
Der Mann hat viele Frauen und verbrennt sich nicht daran, denn die Frau muss es aushalten. Untreu zu sein, ist die Natur des Mannes. Hingegen die Frau verbrennt sich daran.« Ein Mann, der in der Dominikanischen Republik diese Meinung äußert, findet sich damit in zahlreicher Gesellschaft. Männlichkeit wird im Selbstverständnis von Männern als Notwendigkeit sexueller Erfahrungen und Beziehungen verstanden. Der »normale« dominikanische Mann hält sich für fähig, sich vor den unerwünschten Folgen sexueller Kontakte zu schützen, indem er zwischen gefährlichen und ungefährlichen Partnerinnen unterscheidet.
Männer sterben weder an den Folgen von Schwangerschafts- oder Geburtskomplikationen noch erleben sie die Risiken u
Risiken und Demütigungen bei illegalen Schwangerschaftsabbrüchen. Unter dem Einfluss der Genderdebatte wurde jedoch zunehmend eine gerechtere Verteilung der Verantwortung für die Empfängnisverhütung innerhalb der Partnerbeziehung eingefordert. Die Ausbreitung von HIV, von der Männer ebenso betroffen sind, machte sie zur Zielgruppe in verschiedenen Programmen der Familienplanung und AIDS-Prävention. Werden Männer zu diesem Zweck angesprochen, so ist der biologische Geschlechterunterschied der Ausgangspunkt, selten die kulturelle, historische und soziale Dimension von Geschlecht und die zugrundeliegenden Machtbeziehungen.Entscheidend sind Männerphantasien über das eigene und das andere Geschlecht. Von diesen Vorstellungen leiten sich Erwartungen an emotionale und sexuelle Beziehungen ab. In der Dominikanischen Republik bilden sich männliches Selbstverständnis und soziale Vorstellungen von Männlichkeit im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch, ein guter Familienvater zu sein, und dem Wunsch, sich durch viele sexuelle Eroberungen zu beweisen. Der erste Geschlechtsverkehr wird gleichsam zur Einführung in die Welt der Männer stilisiert und dementsprechend in sehr jungen Jahren gewünscht. Männliche Sexualität beinhaltet, dass Männer zwar auf gesellschaftlicher Ebene rational kontrollieren, sich jedoch auf körperlicher Ebene ihrem sexuellen Drang unkontrolliert ausgeliefert fühlen. Geschlechterdominanz und Sexualität werden miteinander verknüpft. Sexuelle Bedürfnisse zur Schau zu stellen, dient der Selbstbestätigung als Mann. Sexuelle Beziehungen mit der Ehefrau hat man(n), um Nachkommen zu zeugen und um die Ehefrau als Mutter zu achten. Sex mit einer Geliebten oder Prostituierten wird dagegen als unabbdingbar für die Natur des Mannes empfunden. Liebe wird romantisiert und verherrlicht, Sex hingegen ist für den Mann instinktmäßige Notwendigkeit und Vergnügen. Die Sicherheit in Ehe und Familie wird ebenso gesucht wie das Amusement auf der Straße.Die Ideen der Männer von Männlichkeit beeinflussen die Vorstellungen der hombres über die Ausbreitung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Männer in der Dominikanischen Republik wissen dank zahlreicher Aufklärungskampagnen in der Regel sehr wohl, wie sie sich schützen könnten. Ihr Vorgehen beruht jedoch auf einem Balanceakt zwischen der eigenen Angst und der individuellen Auslegung von Präventivbotschaften. Das Wissen existiert auf einer rein verstandesmäßigen und unpersönlichen Ebene. Kenntnisse können wie Glaubenssätze aufgesagt werden, nach denen jedoch nicht gehandelt wird.Männlichkeit manifestiert sich für sie in der sexuellen Eroberung möglichst vieler Frauen. Die Phantasievorstellung, was ein richtiger Mann sei, schließt sowohl Monogamie als auch nichtpenetrierende Sexualpraktiken aus. In den Präventionskampagnen wird jedoch neben Kondomen nach wie vor Monogamie und die Vermeidung von Koitus als AIDS-Prävention propagiert. Der Widerspruch zwischen der rationalen Einsicht in die Notwendigkeit einer Prävention und den der Natur des Mannes zugeschriebenen Trieben wird dadurch überwunden, dass nicht das eigene Handeln als risikoreich eingestuft wird, sondern die Gefahr als von »anderen« ausgehend begriffen wird. Diese »anderen«, die »Fremden« gilt es zu melden: herausragend schöne Frauen, Prostituierte, Homosexuelle und Haitianer. Der Eroberungsdrang gilt deshalb denjenigen Frauen, die nicht zu den »anderen« gehörten. Als Alternative dient auch die feste Beziehung zu mehreren Partnerinnen. Normale, heterosexuelle Beziehungen ohne Kontakte zu Homosexuellen, Prostituierten oder Fremden werden dieser Logik entsprechend als ausreichender Schutz empfunden.Mann weiß, dass Kondome vor sexuell übertragbaren Krankheiten und HIV schützen; gerade deshalb lehnt Mann Kondome in festen Partnerschaften ab, um nicht in den Ruf eines Kranken zu kommen. Hier zeigt die jahrelange Ausrichtung der AIDS-Prävention auf sogenannte Risikogruppen wie Prostituierte, Homosexuelle und Drogenabhängige eine negative Auswirkung: In »nor malen« hetero sexuellen Beziehungen wird die Benutzung von Kondomen mit Misstrauen, »unnatürlichen« und »schmutzigen« Sexualpraktiken gleichgesetzt. »Das Präservativ wurde gemacht, um Krankheiten zu verhindern. Denn diese Kondome benutzt man, wenn die Person, mit der man Kontakt hat, krank ist, damit man selbst nicht diese Krankheit bekommt.« Diese Aussage eines Dominikaners ist exemplarisch für den Umgang mit Kondomen. Kondome werden mit zweifelhaften sexuellen Kontakten und Ansteckung bei demjenigen in Verbindung gebracht, der die Initiative zur Anwendung ergreift.Das Verhalten der Männer wird somit entscheidend durch Vorstellungen über Vertrauen beeinflußt. Wird dieses Vertrauen in die Gesundheit des Mannes nicht von der Frau geteilt, so bedeutet dies, die Macht des Mannes als den dominierenden Part in der Beziehung in Frage zu stellen. Ein von männlichem Überlegenheitsdenken geprägtes Umfeld bringt es mit sich, dass Männer kontrollieren können, wer vertrauenswürdig ist, und dass es in ihrer Macht steht, das Risiko einer gesundheitlichen Gefährdung einzuschätzen. Misstraut eine Frau der Unversehrtheit des Mannes, greift sie sein Gefühl der eigenen Stärke an. In der Schlussfolgerung bedeutet dies, dass Frauen, die von ihren männlichen sexuellen Partnern die Benutzung eines Kondoms fordern, ihnen erstens das Vertrauen entziehen und zweitens eine Entscheidung treffen, die normalerweise vom Mann getroffen wird. Will die Frau als ehrbar gelten, kann sie nicht von sich aus die Anwendung eines Kondoms vorschlagen, geschweige denn verlangen.Interviews haben gezeigt, dass Männer nur dann für einen verantwortlichen Umgang mit den unerwünschten Folgen von sexuellen Beziehungen erreicht werden können, wenn nicht nur der bloße körperliche Geschlechtsunterschied zum Ausgangspunkt entsprechender Programme gemacht wird, sondern ihre Vorstellungen über Sexualität, Männlichkeit und Geschlechterdominanz.Irmela Riedlberger ist Autorin der Studie Uno es Hombre. Man ist Mann. Männlichkeit, Familienplanung und Aids-Prävention in der Dominikanischen Republik, diss. 1998, Universität Gießen
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