Die Akademie der Künste ist als eine der ältesten Kulturinstitutionen Europas prädestiniert, die Frage nach dem kulturellen Gedächtnis zu stellen. Sie leistet mit ihren Archiven, ihren Mitgliedern und ihrer Institutionengeschichte kontinuierlich eine „Arbeit am Gedächtnis“. Institutionell gehört die Auseinandersetzung mit Exil und Verfolgung, mit der Zerstörung und dem Überleben von Kulturgut zu ihrer DNA. Das betrifft die künstlerisch fruchtbaren Aufbrüche von Demokratie und Moderne in Deutschland genauso wie die Geschichte von Gleichschaltung, die Erfahrung nationalistischer und antisemitischer Gewalt bis hin zur Shoah. Das betrifft auch den Kalten Krieg und eine geteilte Geschichte zwischen Ost- und Westakademie. Und das betrifft nicht zuletzt eine durch zahlreiche Migrationen neu formierte Gesellschaft der Nachkriegszeit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.
Wie und woran sich eine Gesellschaft erinnert, ist zur Schlüsselfrage geworden in einer Zeit, in der Selbstverständnisse neu verhandelt und Ein- und Ausschlussmechanismen infrage gestellt werden. Dies zeigt sich in einer neuen Präsenz der Archive in der Gegenwartskunst. Die künstlerische Gedächtnisarbeit positioniert sich gegenüber aktuellen Beispielen von Geschichtsvergessenheit und einem bestürzenden Revisionismus durch das Erstarken nationalistischer, rassistischer und antisemitischer Geschichtsbilder. Gleichzeitig setzt sie sich für längst überfällige Strategien zur Dekolonisierung und Diversifizierung der Erfahrungs- und Wissensbestände ein. Das Gedächtnis der Menschheit wird analog zum Gedächtnis der Natur zu einer Kernfrage des Überlebens. Kulturelle Vielfalt als Ressource von sozialem und nachhaltigem Leben ist zum Grundsatzthema für die Gestaltung von Zukunft geworden. Gewachsene Gedächtnisinstitutionen und Archive rücken daher ins Zentrum auch kritischer Betrachtung. Sie sind Ausdruck von Macht und werden befragt in ihrer Kanonbildung.