Licht und Schatten

Zur Ausstellung Bernhard Hoetger war ein zu Lebzeiten gefeierter Künstler, der jedoch durch seine spätere Andienung an die Nationalsozialisten bis heute stark umstritten ist. In einer umfassenden Gesamtschau nähert sich die Ausstellung dem Künstler kritisch an
Ein Blick in die Ausstellungssektion Hoetger und Vogeler mit Werken von Bernhard Hoetger, Eva auf dem Schwan (1911) und Gerechtigkeitsbrunnen (1910)
Ein Blick in die Ausstellungssektion Hoetger und Vogeler mit Werken von Bernhard Hoetger, Eva auf dem Schwan (1911) und Gerechtigkeitsbrunnen (1910)

Foto: © Worpsweder Museumsverbund/Joerg Sarbach

Zum 150. Geburtstag Bernhard Hoetgers nähern sich die Worpsweder Museen diesem Künstler fragend an und würdigen ihn kritisch. ›Licht und Schatten‹, der Titel der Ausstellungssektion in der Großen Kunstschau, gibt bereits einen Anhaltspunkt darauf, dass es sich bei Hoetger um eine komplizierte Künstlerpersönlichkeit handelt, die uns mit Widersprüchen und schwierigen Fragen konfrontiert.

Die Auseinandersetzung mit seinem Leben und Werk ist wichtig – gerade in Worpswede. Denn Hoetger war ein entscheidender Motor dafür, dass der Ort in den 1920er Jahren eine zweite kulturelle Blüte als lebendiges Künstlerdorf erlebte. Und er hat mit seinen Bauten – allen voran dem Hoetger-Ensemble mit der Großen Kunstschau – das Bild Worpswedes bis heute geprägt. Daher ist es auch für das Künstlerdorf und sein Selbstverständnis wichtig, zu erforschen und zu erfahren: Wer war Hoetger?

Die Annäherung an Bernhard Hoetger vollzieht sich in drei Schritten und Formaten: der Anschauung seines Werks, einer Vergegenwärtigung, unter anderem durch die Arbeiten der Künstlerin Julia Kiehlmann in der Großen Kunstschau, und dem Diskurs im Rahmen eines Symposiums, das die Worpsweder Museen im September zusammen mit den Museen Böttcherstraße veranstalten.

Drei Sektionen

›Hoetger und Vogeler‹ | Barkenhoff

Kuratorin: Dr. Dagmar Kronenberger-Hüffer

Trotz der Unterschiedlichkeit der Künstler Bernhard Hoetger und Heinrich Vogeler lassen sich erstaunliche Parallelen im Werk aufzeigen. Diese reichen von stilistischen Ähnlichkeiten beispielsweise in Aktzeichnungen über die nahezu zeitgleiche Tätigkeit für den Keksfabrikanten Bahlsen bis zur thematischen Auseinandersetzung mit gleichgelagerten Themen wie der Mutter-Kind-Beziehung, das Werden des Neuen Menschen und natürlich die Freundschaft mit Paula Modersohn-Becker. Übereinstimmungen wie auch Gegensätze im Werk beider Künstler während ihrer Zeit in Worpswede (1914 sowie 1918 bis 1923) aufzuzeigen, ist das Anliegen dieser Ausstellung.

›Licht und Schatten‹ | Große Kunstschau

Kurator: Dr. Stefan Borchardt

In dieser Ausstellung stehen die schillernde Persönlichkeit und das plastisch-bildnerische Oeuvre Bernhard Hoetgers sowie die Licht- und Schattenseiten seines Lebens und Wirkens (*1874 - 1949) im Fokus. Die Künstlerin Julia Kiehlmann (*1988) begegnet Hoetger aus einer heutigen Perspektive und lädt mit ihren in Worpswede entstandenen Werken dazu ein, die menschliche Fragilität und Fehlbarkeit als Brücke zum Gegenüber zu begreifen.

›Impulsgeber Hoetger?‹ | Worpsweder Kunsthalle

Kuratorin: Cornelia Hagenah

Die Ausstellung widmet sich mit dem malerischen Schaffen Hoetgers, einem weniger beachteten Ausdrucksmittel des Künstlers. Sie untersucht im Vergleich zu seinen Zeitgenossen und Freunden, wie Willy Dammasch, Albert Schiestl-Arding, Bram van Velde und Alfred Kollmar die Entwicklung der expressionistischen Malerei in den 1920er Jahren in Worpswede. Thematische Schwerpunkte bilden einerseits Landschaftsdarstellungen aber auch Bildnisse und Blumenstillleben, die in dieser Zeit das malerische Œuvre Hoetgers und seines künstlerischen Umfeldes bestimmen und einen gemeinsamen Stilkanon aufweisen.

Eine Frage des Hinschauens – eine Frage der Haltung

Anmerkungen zur Ausstellung ›Bernhard Hoetger. Zwischen den Welten‹

Anschauung

Anschauung heißt, erst einmal hinzuschauen, sich ein Bild zu machen von Leben und Werk – und erst dann zu urteilen. Das ist im Fall Bernhard Hoetgers von besonderer Wichtigkeit. Denn er hat sich ab 1933 dem nationalsozialistischen Regime angedient. Es stellt sich daher die Frage, wie wir Hoetgers Verhalten in der NS-Zeit interpretieren und inwieweit seine – vor und nach 1933 entstandene – Kunst nationalsozialistisches oder völkisches Gedankengut transportiert oder diesem ästhetisch nahesteht. Sie ist ein Angelpunkt für die Bewertung seines gesamten künstlerischen Werks und spielt auch in der Ausstellung eine zentrale Rolle.

Statt einfache und eindeutige Antworten auf diese Frage zu geben, ist es das Anliegen dieser Ausstellung, Hoetgers Leben und Werk in seiner Vielschichtigkeit zu veranschaulichen und dem Publikum die unterschiedlichen Werk- und Lebensphasen in ihrer Entwicklung vorzustellen. Die Kurator*innen möchten die Besucher*innen dazu anregen, sich auf der Grundlage der gezeigten Kunstwerke und der Fakten zu Hoetgers Leben ein eigenes Bild dieses Künstlers zu machen und die oben aufgeworfene Frage individuell für sich selbst zu beantworten.

Vergegenwärtigung

Dabei geht es nicht allein um die Vergangenheit und Hoetger als historische Figur; es geht auch um das Heute, es geht auch um uns! Autoritäre Systeme und totalitäre Ideen sind weltweit auf dem Vormarsch – auch in Europa, auch in Deutschland. Wie gehen wir damit um? Wie positionieren wir uns, und wo leisten wir Widerstand, wenn wir sehen, dass politische Realitäten und Machtverhältnisse sich in diese Richtung verschieben?

Ein erster Schritt könnte sein, uns einzugestehen, dass wir die politischen und moralischen Fragen, die die NS-Herrschaft aufgeworfen hat, heute nicht mehr allein aus einer Position der historischen Distanz und der vermeintlichen moralischen Überlegenheit betrachten können. Es geht auch um uns und unsere Wirklichkeit, um unsere Haltung und unsere Verantwortung: für das Heute und das Morgen!

Diskurs

Am 20./21. September 2024 wird ein Symposium die Auseinandersetzung mit Bernhard Hoetger vertiefen und diese gleichermaßen faszinierende wie irritierende Künstlerpersönlichkeit differenziert beleuchten. Es findet im von Hoetger erbauten Haus Atlantis in der Bremer Böttcherstraße und in der Bötjer’schen Scheune in Worpswede statt und wendet sich an alle Menschen, die mehr über Bernhard Hoetger erfahren wollen.
Weitere Informationen unter hoetger24.de

Öffnungszeiten

18. März bis 3. November 2024

Barkenhoff und Große Kunstschau:glich 10 –18 Uhr

Worpsweder Kunsthalle: Di bis So 10 –18 Uhr

Haus im Schluh: Di bis Fr 14–18 Uhr, Sa & So 10–18 Uhr

Eintritt

Museum4 – das Gemeinschaftsticket der Worpsweder Museen – ermöglicht den einmaligen Besuch aller vier Häuser mit einem günstigen und besucherfreundlichen Ticket. Das Ticket ist ein Jahr lang gültig und übertragbar. Das Museum4-Ticket kostet nur 20,00 € (ermäßigt 12,50 €). Gäste sparen gegenüber den normalen Einzelticketpreisen 9,00 € (ermäßigt 5,50 €).

23.04.2024, 11:54

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Vom Aufstieg und Fall eines Künstlers

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